Rußland. 513
verschwindet und einem, wenn auch geringen, Ueberschusse Platz macht, so ist
man berechtigt, sich der Hoffnung hinzugeben, daß es so bleiben und die
Finanzlage andauernd gebessert sein wird. Das Verdienst dieses Umschwunges
gehört unbestritten dem Finanzminister v. Reutern, was denn auch vom Kaiser
durch die Verleihung des St. Wladimir-Ordens I. Classe mit einem sehr
huldvollen und schmeichelhaften Schreiben anerkannt wird.
21. Jan. Die amtliche „Militärztg.“ meldet, daß die Berathungen über die
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Grundsätze der allgemeinen Wehrpflicht beendet seien, so daß der Durch-
führung derselben in legislatorischer Hinsicht kein Hinderniß mehr ent-
gegenstehe.
„ Ein keiserliches Decret ernennt den bisherigen Generalconsul in
Bukarest, Frhrn. v. Offenberg, zum außerordentlichen Gesandten in
Washington; Katakazy wird dem auswärtigen Ministerium attachirt.
6. Febr. (Finnland.) Der finnische Landtag wird vom Generalgouver=
neur Generaladjutant Grafen Adlerberg mit einer Thronrede des Kaisers
eröffnet.
Dieselbe erinnert in ihrem ersten Theil an die Überstandene Hungersnoth,
an die darauf folgenden Epidemieen und die dadurch herbeigeführte Vermin-
derung der Bevölkerung (nach der Zählung vom 31. Dez. 1870 hat Finnland
1,732,621 Bewohner, nach der Zählung von 1865 dagegen 1,843,245, folglich
Abnahme 69,633 Einw.), und constatirt mit Dank den seitdem erfolgten Auf-
schwung des Landes in gesegneten Ernten, Förderung des Handels, Ackerbaues
und der Industrie Besonders wird auf die Wohlthat hingewiesen, welche die
Anlage der Eisenbahn zwischen St. Petersburg und Helsingfors, der Haupt-
stadt des Landes, gebracht habe. Dann heißt es weiter: „Hinsichtlich der von
Mir vorgeschlagenen Umgestaltung der höheren Regierungs-Institutionen habe
Ich versuchsweise befohlen, die Ordnung der Senatssitzungen behufs Beschleu-
nigung der Geschäftsführung, wie diese durch die Vermehrung der der Beur-
theilung des Senats unterliegenden Geschäfte bedingt wird, zu ändern. Mit
Rücksicht auf die geringen Ergebnisse beim Erlernen der russischen Sprache in
den Schulen, während doch die Nothwendigkeit einer gründlichen Kenntniß der-
selben sich nicht nur im Gerichtswesen, sondern auch im praktischen Privatleben
kundgibt, habe Ich es für zweckmäßig erachtet, zu befehlen, daß bei der Reform
der Lehranstalten die russische Sprache unter die Zahl der obligatorischen Unter-
richtsgegenstände aufgenommen werde. Die Frage von dem durch ein Rescript
an den Generalgouverneur im vorigen Jahr von Mir gemachten Vorschlage
zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in dem Großfürstenthum Finn-
land kann jetzt noch nicht Ihrer Beurtheilung vorgelegt werden, weil diese
Maßregel noch nicht in dem Reiche durchgeführt ist. Das neue Landtags-
reglement und das Reglement des Ritterhauses bezeichnen ausführlich den Kreis
Ihrer Thätigkeit, und die von Ihnen gewonnene Erfahrung veranlaßt Mich,
zu hoffen, daß Sie die Ihnen bevorstehenden Arbeiten zum festgesetzten Termin
beendigen werden. Mögen Ihre gewissenhafte und eifrige Thätigkeit zum wah-
ren Wohl des Landes und zu einer verdoppelten Befestigung des gegenseitigen
Vertrauens zwischen Regierung und Volk dienen.“" Eigenthümlich erscheint die
Sprachverwirrung, welche auf dem finnischen Landtag herrscht. Nach Verle-
sung der Thronrede wird die Debatte von dem Baron Nordenstam im Namen
des Adels und vom Erzbischof Borgenheim im Namen des Clerus und des
Gelehrtenstandes in französischer Sprache eröffnet, worauf der Bürgermeister
von Helsingfors und ein Landmann aus dem Gouvernement von Abo-Bjor-
neborg im Namen des Bürger= und Bauernstandes das Wort in schwedischer
Sprache ergreifen, und endlich der Staatsrath Ern, Director der Kanzlei des
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