Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 49 
Betrachten wir die tiese Erregung der Gemüther im ganzen Lande. Man kann 
bestreiten, daß die vaticanischen Beschlüsse staatsgefährlich sind; daß aber solche 
Zustände slaatsgefährlich sind, wird Niemand bestreiten. Wer diesen Conflikt 
in Bayern mit lösen soll, muß durchdrungen sein vom Geiste der Geschichte 
und von Pietät gegen die Kirche; auf welchem Standpunkt man auch stehe, 
wer aus der Geschichte nur tiefen Haß gegen die Kirche gelernt hat, der hat 
wenig gelernt! Und diesen Standpunkt erklärt man für den unserigen! Schade 
daß man Dinge wie Pictät u. s. w. nicht wägen kann, vielleicht ließe sich 
constatiren, daß unsere Firma in diesen Gegenständen keine leichtere Wage 
führt als die Ihrige! Wenn Sie die vorliegende Beschwerde für begründet 
hallen, so erklären Sie, daß eine gesetzliche Regelung nicht möglich ist; wir 
können das nicht hindern! wir sind bereit die Portefeuilles niederzulegen, aber 
wir werden sie dem König zurückgeben ohne eines seiner Rechte preiszugeben. 
Wollen Sie den Rath eines ehrlichen Mannes befolgen, der 20 Jahre seines 
Lebens in diesem Hause zugebracht hat, so hängen sie einen Augenblick den 
Fortschritts= oder patriotischen Standpunkt an den Nagel, und lassen Sie die 
Vaterlandsliebe walten. Können Sie sich aber dazu nicht entschließen, so 
schlagen Sie denn den letzten Nagel in den Sarg des bürgerlichen und con- 
fessionellen Friedens — aber auf Sie fällt dann die Verantwortung!" 
23. Jan. (Württemberg.) II. Kammer: Die staatsrechtliche Commission be- 
27. 
28. 
antragt mit 7 gegen 1 Stimme (Oesterlens) die Tagesordnung über den 
Antrag Oesterlen betreffend die Reservatrechte, in der Erwägung, daß 
die Regierung berechtigt sei, die Abstimmung im Bundesrath, gemäß 
der Reichsverfassung Art. 78 Abs. 1 und 2, ohne Zustimmung der 
Landesvertretung vorzunehmen, und daß hiedurch die Landesverfassung 
nicht verletzt werde. 
. (Weimar.) Landtag: verwirft mit 25 gegen 14 Stimmen einen 
Antrag auf Einführung des allgemeinen Stimmrechts. 
(Preußen.) Adbg.= Haus: Seitens der gesammten preußischen 
katholischen Bischöfe ist eine Petition gegen das Schulaussichtsgesetz 
an das Abgeordnetenhaus gerichtet und wird vom Präsidenten der 
Unterrichtskommission überwiesen. Es ist dies der erste Fall, in welchem 
die Bischöse bei dem Abgeordnetenhause petitioniren. 
(Baden.) II. Kammer: nimmt die von der Regierung ihr vor- 
geschlagene umfassende Erhöhung der Beamtengehalte an. 
. (Preußen.) Die Generale Moltke und Roon werden vom König 
ins Herrenhaus berufen. 
„ (Baden.) Versammlung von Delegirten der Altkatholiken des 
Landes in Karlsruhe. 
Es nehmen an derselben ungefähr 200 Männer hauptsächlich aus der 
Gegend von Freiburg bis Mannheim theil, darunter die Landtagsabgeordneten 
Kirsner, Eckhard, Seeger und Intlekofer, die Professoren Friedrich und Wind- 
scheid. Zustimmungstelegramme laufen von Konstanz, Villingen, Waldshut 
und Freiburg ein. Eckhard führt den Vorsitz, Staatsanwalt v. Berg macht 
den Sprecher. Die Versammlung beschließt: durch Landtagsabgeordnete an 
die Regierung die Fragen zu richten, ob sie Willens sei, altkatholische Priester 
und Laien in ihren bisherigen Rechten zu schützen, altkatholische Gemeinden 
werkthätig zu unterstluüten, beim Reichstag auf die Vertreibung der Jeguiten 
4
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.