Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Armee im Vertrauen auf die Geschicklichkeit ihres Führers, vielleicht aber mit 
seiner Leitung nicht zufrieden, für Zwecke, die nicht die ihrigen find. Der 
Abg. Dr. Windtborst ist mir zuerst bekannt geworden als treuer Anhänger 
König Georgs V., und ich habe den Vorzug gehabt, in dieser Eigenschaft mit 
ihm Verhandlungen über die intimen Angelegenheiten Sr. Majestät des Königs 
zu führen. Ich habe bisher nicht wahrgenommen, daß er dieser seiner auf 
seine ganze Vergangenheit mit Recht begründeten Anhänglichkeit an seinen 
Monarchen und dessen Sache entsagt hat. Seine politischen Handlungen stehen 
an sich mit der Annahme, zu der viele geneigt sein möchten, daß sein Herz 
noch heute an jenem Monarchen hängt, nicht nothwendig im Widerspruch. 
Er betheiligt sich viel an den Debatten, viele seine Worte strömen Über von 
Oel, aber nicht von dem, was Wunden heilt, sondern von dem, das die 
Flamme schürt. Ich habe selten gesehen, daß die Worte des Hrn. Abgeord- 
neten auf Versöhnung berechnet waren, oder, ich will mich objectiv ausdrücken, 
dazu geeignet waren. Sicher waren sie immer dazu angethan, außerhalb 
dieser Räume einen beunruhigenden und befremdlichen Eindruck auf die politisch 
weniger urtheilsfähigen Leute zu machen. Sie machen den Eindruck, daß hier 
Dinge discutirt und von Seiten der Negierung eines Königs von Hohenzollern 
begonnen wurden, die selbstverständlich verderblich sind. Wir sind mitunter 
erstaunt — und Sie werden mir alle darin Recht geben — wenn der Hr. 
Abgeordnete eine zweifellose gemeinplätzige Frage hier ganz besonders betont, 
so daß es den Eindruck machen muß, als ob er ganz allein dafür eintreten 
müsse, und die gegnerische Partei und die Regierung bestritte das. Es mag 
dieß eine Angewohnheit sein. (Heiterkeit.) Aber nach außen hin muß es doch 
den Eindruck machen, als ob hier so ruchlose Leute säßen, als ob in der Re- 
gierung solche Leute wären, welche wirklich den heidnischen Staat wollten, wie 
sich gestern der Hr. Abgeordnete ausdrückte. Es liegt hier ein Gesetz vor, 
mit seinen Motiven von der ganzen Staatsregierung erwogen, und von Sr. 
Maj. dem König unterzeichnet, aber auf diejenigen, welche die Reden des Hrn. 
Abg. Windthorst lesen, kann es sehr wohl den Eindruck machen, als sei dieses 
Gesetz wirklich dazu bestimmt, das Heidenthum bei uns einzuführen — der 
gemeine Mann hat ja nicht den Beruf und auch nicht die Fähigkeit das zu 
prüfen — als solle wirklich hiemit mit der Unterschrift eines Hohenzollern- 
Königs ein Staat ohne Gott eingeführt werden, als seien der Hr. Abgeordnete 
von Meppen und die seinigen die alleinigen Vertheidiger Gottes. Der Gott, 
an den ich glaube, möge mich davor bewahren, daß der Hr. Abgeordnete für 
Meppen jemals die Disposition über die Spendungen seiner Gnade über mich 
haben möge. (Große Heiterkeit.) Ich habe Zweifel ausgesprochen, ob der 
Hr. Abgeordnete für Meppen noch den alten Trieb der Anhänglichkeit an das 
honnoverische Königshaus hat, in Betreff dessen er zuerst mit mir unterhandelt 
hat. Er hat unbedingt erklärt: er hänge an der preußischen Verfassung. 
Ist dieß nun damit widerlegt! Man kann von der Verfassung einen ver- 
schiedenen Gebrauch machen, man kann sie studieren und sie emsig zu befolgen 
bemüht sein. Aber wie versteht er die Verfossung Er hat neulich hier mit 
einer gewissen Geringschätzung von der Mehrheit gesprochen, auf die mich zu 
stützen ich bemüht sei. Er hat mich in die Lage gebracht, bei meinen früheren 
Freunden für einen Mann zu gelten, der blindlings der Mehrheit folgt. Ich 
werde gleich das Material aus den Acten klar legen, das ihm zu diesen 
Ausführungen zu Gebote stand. Ich habe in meinem Leben, glaube ich, ge- 
nug gezeigt, daß ich Widerstand leisten könne, und ich würde es auch jetzt noch 
im Stande sein, wenn der Hr. Abgeordnete für Meppen eine Mehrheit für 
sich im Lande haben könnte. Ich will anführen, was ich damals gesagt habe: 
„Wenn der Herr Vorredner zuvörderst den Umstand tadelt, daß kein Katholik 
im Ministerium sei, so kann ich nur constatiren: ich würde einen katholischen 
Collegen mit Freuden begrüßen, aber jetzt bedürfen wir in einem constitu- 
tionellen Staat eine Mehrheit, die unsere Richtung im ganzen unterstützt.“ 
 
	        
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