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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
bekannt ist. Ich weiß nicht ob der Redacteur Geistlicher ist, aber manche
Redacteure von Blättern, die ähnliche Sprache flhren, sind ordinirte Geistliche.
Wenn man in die Hände eines solchen, wenn er zur Pfarre kommt, die er mit
der Zeit ja erlangt — wenn man einen solchen mit dem Schulinspectorat betrauen
muß, Jemanden, der mit diesem in geistlichem Tone gehaltenen Erlaß über-
einstimmt, welcher anfängt — ich muß ihn verlesen wie hier steht, obgleich
es mir widerstrebt diesen Mißbrauch heiliger Worte in die Discussion hinein-
zuziehen; es fängt an: „Jesus, Maria, Joseph, rettet uns aus der Hand
der Feinde, denn wir verderben.“ Auch diese Kundgebung hatte ursprünglich
die Gestalt eines Wahlerlasses für die bekannten Wahlkämpfe zwischen dem
geistlichen Nath Müller und dem Herzog v. Ratibor, sie ist aber doch sehr
beleuchtend für die Discussion, in der wir stehen. (Liest): „Brüder, Glaubens-
genossen! rufet die Frauen und Kinder, rufet alle Hausgenossen zusammen
und fallet mit ihnen zugleich auf die Knice, indem ihr mit dem Himmelsruf
rufet: Jesus, Maria und Joseph, rettet uns aus der Hand der Feinde, denn
wir verderben! O Gott, warum lässest du so schreckliche Verfolgungen zu?2
Warum gestattest du, daß die Zeinde deines Volkes spotten? Erbarme dich
über uns um deines Namens willen.“ Ich will das Ganze hier nicht lesen,
ich werde es drucken lassen zur Belehrung für Jedermann. Wer sind nun
die „Feinde“, die hier bezeichnet werden als die Verderber! Das kommt in
dem folgenden Passus vor: „Es verbreiten die Briefe der Antichristen“ —
das sind also die Wahlcirculare des Gegners (Heiterkeit) — „die Juden, die
Andersgläubigen, die urewigen Feinde des Volkes“ — also zu denen gehören
wir auch, denn wir sind Andersgläubige — „welche von dem Schweiß und
von dem Blut eurer Hände leben und sich bereichern, und solchen Betrügern
glaubt ihr und laßt euch verwirren."“ Ich erinnere daran, daß dieses Blatt
in Königshütte redigirt wird, und Sie wissen, was dort vorgefallen ist. Es
ist ein merkwürdiger Fingerzeig dafür, woher jene Rohheiten kommen können:
„Judas“ — der ist also auch unter der Zahl der Feinde zu finden. —
„Judas hat den Meister verrathen für dreißig Silberlinge und Ihr schrecket
nicht zurück für verfluchten Branntwein, eine Cigarre oder eine andere zeitliche
Eitlekeit den heiligen christlichen Glauben, eure Brüder und Nachkommen zu
verkaufen, welche euch verfluchen werden und eure Gräber, weil ihr die Rechte
der Nation und die Rechte Gottes verrätherisch in die Hände der Feinde ge-
liefert habt.“ Und dann an einer anderen Stelle wird durch die Phrase:
„Der Antichrist des Reichthums“ darauf hingewiesen, daß die Arbeiter
„Andersgläubige“" mit dem Blut und Schweiß ihrer Hände nähren müssen.
Es heißt darin ferner: „Der Gebrannte hütet sich vor dem Feuer! Wir
haben gewählt den Fürsten Lichnowsky, die Grafen Rénard, Strachwitz,
Schaffgotsch, Saurma, Frankenberg in der Hoffnung, daß sie uns Katholiken
treu vertreten werden, und sie haben uns schrecklich angeführt (große Heiterkeit),
denn alle schlesischen Abgeordneten haben sich der Fraction der sogenannten
Freiconservativen angeschlossen, welche in der Angelegenheit des heiligen Vaters
gegen die katholische Fraction gestimmt foben (Große Heiterkeit.) Der
Graf Rénard u. A. haben sogar das Lutz'sche Gesetz unterstützt, welches die
Kanzel bedrängt — indem es das Strafgesetz auf alle anwendet, also auch
auf die Geistlichen. Nur der einzige geistliche Rath Müller hat treu unsere
Rechte vertheidigt, dahier ist er ein erprobter Abgeordneter; wenn man uns
auch nicht einen treuen Abgeordneten im Reichstage gönnt, so sollen wir ihn
also nach dem Willen der Freimaurer, Juden und Liberalen verwerfen und
an seine Stelle den Herzog von Ratibor, der sich den oben aufgeführten Grafen
anschließt, an denen wir uns verbrannt haben.“ (Heiterkeit.) Das Actenstück
ist unterzeichnet von den H H. Nitzsche, Poczatek, F. Spyra, Galus, S. Szary,
und ist abgedruckt aus dem „Katolik,“ Druck des verantwortlichen Redacteurs
Kark Miaska in Königshütte. Nun, m. OH., Leute, die solche Blätter redi-
giren, dienen dem Frieden nicht. Von diesem Blatt, „Der Katolik,"“ ist nur