Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

104 HDas deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 29.) 
kerung eingelebt habe, als gerade dieses. Dr. Ratzinger erkläre, daß von 
einzelnen Beamten eine bagatellmäßige Behandlung der Districtsräthe erfolgt 
sei und daß Uebergriffe der Beamten stattgefunden hätten, die in's Aschgraue 
gingen. So lange ihm (dem Minister) nicht bestimmte Thatsachen vorlägen, 
insolange müsse er eine solche Behauptung als unwahr und lügenhaft be- 
zeichnen. Dr. Raytznger bringe auch vor, daß man die wichtigsten Fragen 
der Landesinteressen nicht mit der Mehrheit, sondern mit der Minderheit 
bespreche (Dr. Völk ruft inzwischen: „ich möchte nur wissen, was er damit 
meint?“) Er wolle Hrn. Völk Aufklärung geben. Man brauche nur das 
„Fränkische Volksblatt“ zur Hand zu nehmen, in welchem von einer Be- 
sprechung zwischen den Ministern und den Führern der Linken in traulichen 
Stunden die Rede sei. Also wiederum eine Verschwörung, und doch könne 
er Hrn. Ratzinger und vielleicht Hrn. Jörg das Vergnügen nicht gönnen, 
eine solche Verschwörung entdeckt zu haben, denn in der That sei an der 
ganzen Geschichte kein Wort wahr. Er wisse weder von geheimen Besprech- 
ungen etwas noch von trauten Stunden (Gelächter!) Er habe nur mit 
einem Abgeordneten gesprochen, und nicht im Ministerium, sondern auf 
der Straße, und nicht geheim, sondern öffentlich, und nicht von der linken 
Seite, sondern von der rechten. Sein Name sei nicht Frankenburger, nicht 
Marquardsen oder Crämer, sondern Jörg. Man sehe also, wie weit man 
mit solchen Behauptungen komme. 
29. März. (Sachsen.) II. Kammer: Auf eine Interpella- 
tion, ob die Regierung gelegentlich des dem preuß. Landtage vor- 
gelegten Gesetz-Entwurfs für Uebertragung der preuß. Eisenbahnen 
an das Reich, dessen Ausführung der erste Schritt zur Mediatisirung 
der kleineren Staaten sein würde, nähere Mittheilungen über die In- 
tentionen der preuß. Regierung habe, oder ob sie nichts anderes 
wisse, als was in den Zeitungen darüber zu lesen sei, erwiedert der 
Minister v. Friesen: 
„Ich bedauere, die Anfrage mit einem ganz bestimmten „Nein!“ be- 
antworten zu müssen. Ich bin nicht in der Lage, eine nähere Auskunft zu 
geben, und habe gar keine weitere Kenntniß von der Sache als die, welche 
allen Mitgliedern in der hohen Kammer beiwohnt. Uebrigens halte ich es 
nicht für gerathen, auf diesen Gegenstand, der so ganz ohne Vorbereitung 
hier erwähnt worden ist, irgendwie näher einzugehen. So schmerzlich und 
ernst auch der Eindruck gewchn ist, den ich bei dem Durchlesen der Motive 
jenes Gesetz-Entwurfs (betr. die Uebertragung der preuß. Bahnen auf das 
Reich) gehabt habe, so habe ich doch gleichzeitig die Ueberzeugung gewonnen, 
daß gerade im jetzigen Moment die Sache so liegt, daß die größte Vor- 
sicht von unsrer Seite nothwendig wird. Das werde ich nicht aus dem 
Auge setzen.“ (Sehr richtig! Beifall.) 
29. März. (Baden.) II. Kammer: erregte Debatte über das 
Cultusbudget und namentlich über die früher beschlossene Streichung 
des sog. Tischtitels für die erzbischöfliche Curie Freiburg, den daher 
auch die Regierung nicht wieder in's Budget eingestellt hat. 
Der clericale Abg. Marbe wünscht zu wissen, warum der Titel ge- 
strichen und aus welchem Grunde die Besetzung des erzbischöflichen Stuhles 
noch nicht erfolgt sei. Staatsminister Jolly erklärt hierauf, es sei nicht
	        
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