Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 2—5.) 195
2. November. (Deutsches Reich.) Reichstag: Der Kreis
von Abgeordneten, vor welchem vor Jahresfrist Fürst Bismarck sein
Reichseisenbahnproject zuerst vortrug, tritt zusammen, um über die
Frage zu berathen, ob es opportun wäre, den Entwurf eines Reichs-
eisenbahngesetzes aus der Initiative des Reichstags einzubringen,
verneint indeß die Frage.
3. November. (Deutsches Reich.) Reichstag: wählt den
Abg. v. Benda (nationalliberal) zum dritten Präsidenten mit 156
gegen 71 Stimmen (68 Stimmzettel sind unbeschrieben), nachdem
die Fortschrittspartei die Aufforderung der nationalliberalen Partei,
ihr einen anderen Candidaten als Hänel für die Stelle aus ihrer
Mitte zu präsentiren, abgelehnt hat.
Erste Lesung des Reichsbudgets für das erste Quartal d. J.
1877. Der Präsident des Reichskanzleramtes v. Hoffmann beziffert
dabei den muthmaßlichen Ueberschuß des Finanzergebnisses von 1876
auf 8 Mill. Mark. Der Abg. Richter (Fortschr.) erinnert seiner-
seits daran,
„daß der Elat pro 1876 auf anderen Grundlagen festgestellt wurde,
als er von der Regierung ursprünglich veranlagt war Der jetzt vorgelegte
Etat enthalte nun eine glänzende Rechtfertigung der vom Reichstag im Ge-
gensatz zu der Regierung damals eingeschlagenen Finanzpolitik und es sei
setzt dargethan, daß, wenn der Reichstag in den Jahren 1875 und 1876
bei der Etatsberathung den Anforderungen der Regierung und den Ansichten
der conservativen Partei entsprochen hätte, im Ganzen 45 Millionen Mark
Matricularbeiträge und neue Steuern mehr abverlangt worden wären, als
nöthig sind, um die Bedürfnisse des Reiches zu bestreiten."“
4. November. (Württemberg.) Der König schließt die
Kammern mit einer Thronrede, in der es heißt:
„Ich sehe mit Genugthunng die Stände um mich versammelt in der
Stunde, wo eine bedeutsame Periode des pflichttrenen, fruchtbaren Schaffens
schließt. Ihr patriotisches Interesse für Befriedigung der außerordentlichen
Bedürfnisse meiner Truppen haben Sie von Neuem bethätigt. Gerne gedenke
ich bei diesem Anlasse, daß meine Armee vor Kurzem die Probe tüchtiger
Ausbildung und pflichtmäßiger Disziplin vor dem kaiserlichen Oberfeldherrn
mit vollen Ehren bestanden hat. Unter dem Eindrucke weltbewegender Er-
Ereignisse zum erstmaligen Zusammentritle berufen, besiegellen Sie durch
Zustimmung die Verträge, kraft welcher mein Land seine Stelle im Neubau
bes deutschen Reiches eingenommen. Von du bis heute lösten Sie in un-
ermüdetem Zusammenwirken mit meiner Regierung eine Fülle mannichfacher,
bedeutender gesetzgeberischer Aufgaben, wie sie in solchem Maße kaum einer
früheren Landesvertretung beschieden waren. „Fmpfangen Sie meinen war-
men Dank für Ihren Rath und Ihre Arbei
5—9. November. (Preußen.) Die Gemeinde Marpingen wird
im Beisein des Chefs dee Geheimpolizei durch den Bürgermeister
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