Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

Bie Gekerreichisch-Aungarische Moesarchie. (Mai 30. — Juli 8.) 249 
Gefahren der Lage zu beseitigen. Was aber gescheben soll, muß ohne Zö- 
gern mit allem Nachdruck gethan werden, den die Mächte aufgubieten ver- 
mögen. Europa hat nur mehr die Wahl zwischen energischer Pacification 
oder der Aufrollung der orientalischen Fragen mit allen ihren Gefahren und 
allen ihren unabsehbaren Consequenzen.“ 
30. Mai. Die orientalische Frage verwickelt sich immer mehr. 
Serbien, von Rußland in Folge der Haltung Englands und des 
Dahinfallens des Berliner Memorandums nicht mehr zurückgehalten, 
ist offenbar entschlossen, loszubrechen. Der russische General Tscher- 
najeff wird vorläufig zum serbischen General ernannt. In Konstan- 
tinopel wird Sultan Abdul Aziz des Thrones entsetzt. Die Groß- 
mächte scheinen rathlos geschehen zu lassen, was sie nicht verhindern 
können. 
2. Juni. Schluß der Session der Delegationen in Pesth. 
Dieselben haben sich über das Budget vollständig geeinigt, ohne 
daß eine gemeinsame Abstimmung nöthig gewesen wäre. Dem 
Kriegsministerium sind nicht ganz 3 Mill. fl. abgestrichen, weiter 
gehende Anträge der Oesterreicher dagegen abgelehnt worden. Der 
Kaiser ertheilt den Beschlüssen sofort seine Zustimmung. Die un- 
garischen Delegirten veranstalten für ihre Collegen aus Oesterreich 
dießmal ein Abschiedsbankett. 
21. Juni. Der gemeinsame Kriegsminister, F. M.L. Koller, 
tritt zurück und wird durch Graf Bylandt-Rheidt ersetzt. 
— Juni. (Ungarn.) Die ungarische Regierung befiehlt 
ihren Organen in Südungarn, dessen serbische Bevölkerung mit 
Serbien offen sympathisirt, ein sehr wachsames Auge zu haben und 
keinerlei Umtriebe für Serbien zu dulden. 
1. Juli. Das Verhältniß Oesterreichs zu Rußland scheint 
noch immer das bisherige zu sein. Der Kaiser decorirt fast die 
ganze rufsische Gesandtschaft. 
7. Juli. Graf Wimpffen (nicht Graf Beuft) wird zum öster- 
reichischen Botschafter in Paris, Graf Choteck zum Botschafter in 
Rom ernannt. 
8. Juli. Zusammenkunft des Kaisers mit dem von Gort- 
schakoff begleiteten Kaiser von Rußland auf der Rückreise desselben 
von Ems nach St. Petersburg in Reichsstadt (Böhmen). 
Das Resultat der Zusammenkunft wird dahin angegeben: Oesterreich 
erkennt eine Aenderung des terrilorialen Besihstandes nur unter Zuziehung 
der Traktatmächte an und hält an strenser Neutralität für die Dauer 
des Krieges fest. Rußland erkennt eine einigung Bosniens mit 
Herzegowina als den Interessen Oesterreichs zuwiderlaufend an, wogegen
	        
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