410 Lie Schweiz. (Mai 7—15.)
bestimmt nunmehr: proportionelle Großrathswahl; geheime gemeinde-
weise Abstimmung. Die grundsätzliche Anwendung bleibt einem Ge-
setze vorbehalten, ebenso die Frage der Rectification der bestehenden
Kreise. Die Volksabstimmung über diese Verfassungsvorlage soll
am 28. Mai stattfinden. Zehn Tage darauf erfolgt die Procla-
mirung des Abstimmungsrefultates und, wenn das Project angenom-
men ist, sofort das Ratificationsbegehren beim Bund. 14 Tage nach
der Ratification tritt der bisherige Große Rath zusammen zur ge-
setzgeberischen Anwendung des neuen Wahlsystems.
7. Mai. (Glarus.) Die Landsgemeinde verwirft die ihr
vom Landrathe vorgelegte revidirte Kantonsverfassung.
7. Mai. (St. Gallen.) Die allgemeine Erneuerungswahl
des Großen Rathes ergibt 98 Liberale gegen 63 Ultramontane. Die
Liberalen gebieten also auch im neuen Großen Rathe wie im frü-
heren nahezu über eine Zweidrittelmehrheit. Das Refultat ist dop-
pelt wichtig, weil ein entgegengesetztes unter Umständen im Stände-
rath den politischen Schwerpunkt hätte verschieben und eine grundsätz-
liche Kluft zwischen beiden Räthen der Bundesversammlung hätte
öffnen können.
9. Mai. (Tessin.) Die Regierung des Cantons weigert sich,
die Beschlüsse des Großen Nathes vom 6. d. Mts. auszuführen
und die (liberale) Minderheit des Großen Raths selbst beschließt,
gegen die Beschlüsse der Mehrheit an die Bundesversammlung zu
recurriren.
15. Mai. (Bern.) Der Bundesrath lehnt die Recurse der
Römisch-Katholischen gegen das im vorigen Jahre von der Berner
Regierung beantragte, vom Großen Rath beschlossene und vom Volke
mit großer Mehrheit genehmigte Cultuspolizeigesetz in einem ein-
läßlichen Entscheide ab. Ueber die Auslegung dieses Entscheides er-
hebt 6, indeß sofort eine Controverse von practischer Bedeutung.
er That zeichnet sich der bundesräthliche Entscheid, namentlich
Ziffer 3 oten nicht durch übermäßige Klarheil aus. Während man
von der einen Seite annimmt, der Bundesrath habe nur sagen wollen, der
officielle Pest der jurassischen Priester vom Februar 1873 genüge nicht
zur Annahme einer fortdauernden Widersetlichkeit, wer aber neuerdings auf
Befragen erkläre, an jenem Protst= festzuhalten, beweise damit selbst seine
sortdauernde Widersetzlichkeit und falle somit unter das Verbot von §8 3
Ziff. 2 des Berner Gesetzes, Störung bes uligiosen Friedens belreffend, —
wird andererseits behauptet, der Bundesrath sei der Ansicht, es seien neuer-
liche thatsächliche Beweise einer fortdauernden Wiberselichtet gegen die
Stoatsordnung erforderlich, um die Zulässigkeit der Anwendung jener G#
setzesbestimmung zu begründen. Die letztere Ansicht ist wohl zweisellos de-