Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

Bie Schwiitl (Aug. 20. — Sept. 19.) 415 
20. August. (St. Gallen.) Die Ultramontanen bringen ein 
vom Großen Rathe beschlossenes Gesetz betr. Einführung des facul- 
tativen Volksreferendums in der allgemeinen Volksabstimmung dar- 
über zu Fall und erringen somit einen neuen partiellen Sieg. 
Das neue Gesetz war genau nach der Norm des Bundesgesetzes betr. 
die Volksabstimmung über Bundesgesete und Bundesbeschlüsse vom 17. Juni 
1874 ausgearbeitet, das ausdrücklich bestimmt, daß der Große Rath über die 
Frage zu entscheiden habe, ob ein Beschluß dringlich und deßhalb unter 
Ausschluß des Referendums sofort zu vollziehen sei, oder ob im gegebenen 
Falle eine Dringlichkeit nicht vorliege und daher der Volkscontrole der freie 
auf zu lassen sei. Die Ultramontanen hatten dagegen verlangt, daß, über 
das verfassungsmäßig normirte facultative Reserendum hinausgehend, be- 
ichlossen werde, es müsse jeder Beschluß des Großen Rathes dem Referendum 
unterstellt werden, sobald eine Zahl von mindestens 50 Milgliedern des 
Großen Rathes es verlanglten. Sobald sie damit nicht durchgedrungen waren, 
arbeiteten sie an der Verwerfung des Gesetzes durch das Volk, weil sie fürch- 
ten, es könnte einmal dem liberalen Großen Rathe einfallen. im MWege des 
Beschlusses irgend ein Kloster aufzuheben und diesen Beschluß durch Dring- 
licherklärung der Volksabstimmung zu eniziehen. 
11. September. (Solothurn.) Die Kirchgemeinde der Stadt 
Solothurn lehnt den Antrag des Gemeinderathes, über die Frage 
der Wahl eines christkatholischen Geistlichen Beschluß zu fassen, even- 
tuell die Wahl eines solchen vorzunehmen, mit 329 gegen 322 Stim- 
men ab. Die Stadt Solothurn bleibt also vorerst römisch-katholisch. 
17. September. Feierliche Consecration des neuen Bischofs 
(Herzog) der christkatholischen Nationalkirche der Schweiz in Rhein- 
felden maus den altkatholischen deutschen Bischof Reinkens. 
ueBischof erläßt einen Hirtenbrief, in welchem er vorerst die 
Sranä Feiner er Stellung eines katholischen Bischofs on der Hand der 
Geschichte der alten katholischen Kirche darthut, deren Bischöfe auch durch 
freie Wahl der Priester uud der Gemeinde gewählt wurden, ohne daß dem 
römischen Bischof irgend ein Beslätigungsrecht eingeräumt war. Der von 
ihm geleistete Staatseid lautet: „Ich, Eduard Hergog, gelobe hiemit seierlich 
vor Golt, vor den Vertretern der christkatholischen hnode der Schweiz und 
vor den Abgeordneten der eidgenössischen Stände, die mir als erwähltem und 
consecrirtem Bischof der christkatholischen Kirche der Schweiz obliegenden 
PMict en gewissenhaft zu erfüllen, die Verfassung der christkatholischen Kirche 
der Schweiz sorgfältig und als ein unbescholtener Diener der Religion Jesu 
Chmsti zu beobachten, die Gesetze der Eidgenossenschaft und der Cantone in 
dem mir anvertrauten Wirkungskreis in bester Treue zu befolgen und keiner 
geistlichen oder weltlichen Beßorde einen weiteren Treu-Eid zu schwören!“ 
Der Staatseid wird ihm vom Präsidenten des Symobalrath unter Anrufung 
der Delegirten der Contonsregierungen als Zeugen abgenommen, welche 
späler diesen Act auf dem Rathhause durch "4% uuntesschrift bochaligen. 
19. September. (Thurgau.) Große Rath: weist einen 
Recurs der römisch-katholischen Kirchgemeinde Frauenfeld, gegen einen 
Beschluß des dortigen Gemeinderaths, daß künftig die Beerdigungen
	        
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