Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

38 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan.9—12.) 
der sammelnden Institute dringend wünschenswerth erscheinen, so ist für eine 
jede solche beizubehaltende Hauscollecte an die Bezirksregierung zu berichten, 
doch müssen, den neueren höheren Bestimmungen zufolge, auch diese geneh- 
migten Sammlungen längstens binnen Jahresfrist nach der Genehmigung 
beendet sein. Die fernere Genehmigung kann nur nach ernenerter Prüfung 
der Vedürfnißfrage erfolgen und ist regelmäßig von dem Nachweise über die 
Höhe der bei der vorangegangenen Collekte gesammelten Beträge und deren 
Verwendung abhängig zu machen. Die fernere Gestattung solcher herkömm- 
lichen Collecten soll mithin nur erfolgen, wenn ein unabweisbares Bedürfniß 
vorliegt. 
9. Januar. (Sachsen.) Die Sozialdemocraten beschließen 
auf einer zu Chemnitz abgehaltenen Landesversammlung, bei den 
nächsten Reichstagswahlen, auf die sie große Hoffnungen setzen, in 
allen 23 Wahlkreisen des Königreichs eigene Candidaten aufzustellen 
und bezeichnen dieselben vorläufig schon jetzt. 
12. Januar. (Deutsches Reich.) Die Justizcommission des 
Reichstags faßt auf Antrag der Abg. Dr. Schwarze und Becker mit 
18 gegen 6 Stimmen den Beschluß, daß bei den mittlern Straf- 
fällen ein Beizug des bürgerlichen Clements stattzufinden habe, und 
zwar dahin, daß diese Kategorie von Straffällen durch zwei Staats- 
richter und drei Schöffen abzuurtheilen und daß zu diesem Behufe 
bei den Landgerichten große Schössengerichte zu bilden seien. 
Bei der Berathung dieser Frage tritt der seltene oder noch nicht da- 
ewesene Fall ein, daß die Vertreter der Bundesregierungen sich geradezu 
Bekampfen und diametral entgegengesehte Standpunkte vertreten. Durch den 
Präsidenten v. Amsberg als Vertreter des Rei s justizamts, desgleichen durch 
die Vertretung der preußischen Regierung wird dem Antrag entschieden ent- 
gegengetreten, während der Vertreter der sächsischen Regierung, geh. Rath 
Held, ebenso entschieden der Kommission die Annahme des Antrags empfiehlt. 
12. Januar. (Preußen.) Der kgl. Gerichtshof für kirchliche 
Angelegenheiten leitet den Absetzungsproceß gegen den Erzbischof von 
Köln ein. 
12. Januar. (Preußen.) Die Provinzialcorresp. erklärt, 
daß die General-Synodal-Ordnung für die evang. Kirche Preußens 
nunmehr, „wesentlich“ in der mit der Generalsynode vereinbarten 
Gestalt, der Genehmigung Sr. Maj. des Königs, als Hauptes des 
evangelischen Kirchenregiments, unterbreitet und durch allerhöchste 
Verordnung als „Kirchengesetz“ werde verkündet werden. 
Weiter aber würde es die Aufgabe der Staatsregierung sein, die 
hiernach als kirchliches Gesetz zur Geltung gebrachte Kreis-, Provinzial= 
und Synodal-Ordnung schließlich auch in der staatlichen Gesetzgebung 
durch Vereinbarung mit den beiden Häusern des Landtages zur endgiltigen 
Anerkennung und damit die selbständige evangelische Kirchenverfassung endlich 
zum allseitigen Abschlusse zu bringen. 
Die liberale Presse meint dagegen, daß bei einem solchen