Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

586 Nebersicht der pelilischen Eutwichlung des Jahres 1876. 
strammen Eisenbahngesetzes zu erzwingen. Das letztere dürfte er sich 
nachgerade bereits gesichert haben, da selbst der sächsische Particu- 
larismus eingesehen zu haben scheint, daß er so weit nachgeben muß, 
wenn er nicht dem Reichseisenbahnproject selbst am kräftigsten in 
die Hände arbeiten will. Will der Reichskanzler aber das Reichs- 
eisenbahnproject selbst ernsthaft aufnehmen, so darf er sich jeden- 
falls auf große Schwierigkeiten gefaßt machen. Indeß ist es ja 
eben nicht seine Art, Dinge, die Zeit erfordern und wohl überlegt 
sein wollen, zu überstürzen. Das zeigte sich auch wieder, als der 
Reichstag nach Neujahr wieder zusammen trat, um die nicht er- 
ledigten Tractanden der Session von 1875 völlig zu Ende zu bringen. 
Namentlich war noch eine Reihe schwieriger und von vorne herein 
sehr bestrittener Punkte der Novelle zum Strafgesetze zu erledigen. 
Die Regierung setzte dabei zwar einige derselben wie den sog. Duchesne- 
Paragraphen, den sog. Arnim-Paragraphen und in der dritten Lesung 
auch noch den verstärkten Kanzelparagraphen mit nicht allzugroßer 
Majorität durch, dagegen wurde eine Reihe anderer, welche die dis- 
cretionäre Gewalt der Regierung gegenüber der Presse und dem Ver- 
einswesen namentlich bezüglich der socialistisch-democratischen Agi- 
tation stärken sollten, theils einstimmig, theils wenigstens fast ein- 
stimmig abgelehnt. Der Reichskanzler fügte sich mit guter Art in 
einer einläßlichen Auseinandersetzung in dieses Schicksal seiner Vor- 
lage, das ihn keineswegs überrascht habe, indem er erklärte, daß 
die Regierung das Recht in Anspruch nehmen müsfe, auch solche 
Vorlagen einzubringen, von denen sie voraussehe, daß sie verworfen 
werden würden, um gewisse Uebelstände und Fragen wenigstens zur 
Sprache zu bringen und immer wieder anzuregen, auch wenn sich 
die Discussion derselben Jahre lang hinziehen sollte, und so von 
einem Reichstag an den andern zu appelliren, bis sich die Ueber- 
zeugung, sei es der Regierung sei es des Reichstags, geändert haben 
würde. Damit schloß der Reichstag seine Arbeiten, um erst im 
Spätherbst wieder zusammenzutreten und inzwischen den Landtagen 
der Einzelstaaten Platz zu machen. In einigen deutschen Staaten 
waren die Berathungen und Beschlüsse derfelben von vorwiegender 
Preußen. Bedeutung, wie namentlich in Preußen und in Bayern. In Preußen 
machte die Regierung dem Landtage eine Reihe von tiefeingreifenden 
Vorlagen, wie, außer der schon erwähnten Frage über die eventuelle 
Abtretung der Staatsbahnen an das Reich, solche über die offizielle 
Geschäftssprache der Behörden, über ein Staatsgesetz zu einer vom
	        
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