Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 3 —.) 91
Reichseisenbahnamt, wobei die selbständige Oberaussicht gang verloren gehe.
Es genüge nicht, zu sagen, daß man ein Eisenbahngesetz wünsche, sondern
man müsse auch angeben, was darin stehen solle. Zur Beseitigung der Tarif-
mißstände, die zunächst vom elsässischen Systeme herkämen, brauche man kein
Eisenbahngesetz; dafür gebe die Reichsverfassung die erforderlichen Anhalte,
und der Bundesrath habe sich schon mit der Frage befaßt und eine umfassende
Enquete von Sachverständigen veranstaltet. Die Regierung sei nicht gegen
jedes Eisenbahngesetz, auch sei der vorgelegte Entwurf nicht vollständig zu-
rückgezogen worden, aber nach Lage der Sache und aus den angegebenen
Gründen müsse er wünschen, daß die Antragsteller ihren Antrag für jeßt
zurückzögen und als einen selbständigen einbrächten. Biedermann: Er
mache darauf aufmerksam, daß der Antrag seiner Freunde nur eine Ergän-
zung zu dem Hauptantrage sei. Wenn er und seine Freunde nicht in der
Haussane mit der Majorität übereinstimmten und den Ankauf der Eisen-
bahnen befürworteten, so wäre ja sein Antrag überflüssig. Wenn der Re-
serent gesagt habe, daß der Deputationsbericht die Stimmungen der Bevöl-=
kerung schildere, so seien dies Stimmungen, welche die Depulation hätte be-
richtigen sollen. Wie der Abg. Günther in seinem (des Redners) Antrage
ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung entdecken könne, begreife er nicht.
Durch Annahme beider Anträge würde man zeigen, daß man sich den wirk-
lich nöthigen Verbesserungen nicht verschließe; durch die Ablehnung des
zweiten Antrages drücke man aus, daß Alles beim Alten bleiben und gar
nichts zur Beseitigung der bestehenden Uebelstände geschehen solle. Dadurch
fordere man aber geradezu zu radikalen Maßregeln Seitens der Reichsregie-
rung heraus.
Der Antrag Biedermann wird nicht an eine Deputation ge-
wiesen, sondern von der Kammer mit 53 gegen 19 Stimmen abge-
lehnt, der Majoritätsantrag dagegen mit 66 gegen 7 Stimmen an-
genommen.
3. März. (Baden.) II. Kammer: Budget für 1876 und
1877: dasselbe gibt nähere Auskunft über den badischen Antheil an
den Kosten des deutsch-französischen Krieges.
Die gesammten Ausgaben, welche dem Großherzogthum Baden aus dem
Kriege von 1870 und 71 erwuchsen, betrugen 38,750,906. M, die Einnahmen
in Folle. der Demobilisirung und Kriegslostenentschädigung 72,652.704. M (da-
runter der Antheil Badens an der Kriegskostenenkschädigung mit 64,039,091 M.
Der Ueberschuß der Einnahmen beträgt daher 33,865.738 M, wovon bereits
früher 31,653,378 M der Amortisationscasse überwiesen wurden und nun
2,212,360 M außerordentlichen Budget für 1876 und 77 Verwendung
finden.
4. März. (Baden.) lI. Kammer: die ultramontane Fraction
interpellirt die Regierung über die Frage der Reichseisenbahnen.
Der Handelsminister Turban beantwortet die Frage dahin:
Die Frage über Erwerbung der Eisenbahnen durch das Reich sei der
Regierung bis jetzt in keinerlei auch mur. vorbereitender Form vorgelegt
worden. Sie war darum auch nicht in Lage, sich darüber auszusprechen.
Die Regierung vermöge seuchuicht in richt zu sagen, welche Stellung sie
künftig auftretenden, zur Zeit weder nach Form noch Inhalt ihr bekannten