136 Das deutbsche Reih und seine einjelnen Glieder. (Sept. 15.)
15. September. (Deutsches Reich.) Reichstag: die sogen.
volkswirthschaftliche (mehr oder weniger schutzzöllnerische) Vereinigung
des Reichstags tritt unter dem Vorsitze des (entschieden schutzzöllne-
rischen) Abg. Löwe 60 Mitglieder stark wieder zusammen und erklärt
sich für eine Revision des Zolltarifs. Der Vorsitzende behauptet, daf
eventuell die Zahl der Vereinigung auf 183 Mitglieder ansteigm
werde.
15. September. (Deutsches Reich.) Ein Congreß deutscher
Kaufleute in Berlin faßt eine Reihe von Refolutionen, wie dem
gegenwärtigen Nothstand der Geschäfte aller Art abzuhelfen wäre.
Der „Congreß“" und seine Verhandlungen sind für die wirkhschaftliche
Lage überaus charakteristisch. bie es scheint, besteht der Congu# haupt-
sächlich aus Specereikrämern, die von der Ansicht aus agehen. das die Con-
sumenken für sie, nicht sie für die Consumenten da seien. Dieser Irrthum
geht geradegu bis zur nnfreiwilligen Komik in der Sbatte über die Consum-,
Beamtenconsum= und Hausfrauenvereine. Referent A. D. F. Holtz Gerliyz-
bezeichnet diese Frage als den Cardinalpunkt des ganzen 0 Lengofee, als den
Krebsschaden, unter welchem der gesammte Detailhandel leide. Der snze
DTetailhandel einzelner Städte liege vollständig darnieder und taufende stre
samer sleuerzahlender Bürger würden in ihrer Existenz durch das Unwesen
der Consumvereine gefährdet. Das gange Bestreben der deutschen Kaufleute
müsse dahin gehen, die Besteuerung der Consumvereine mit allen gesetzlichen
Mitteln berbeimführen. Nach seiner Ansicht müssen alle Beamtenconsum-
vereine verboten und die Hausfrauenvereine je nach ihren Umsäten zu
Staats= und Communalsteneen herangezogen werden. (Lebhafter Beifall.)
Diese Ausführungen wurden jowohl von dem Correferenten, als von einer
großen Angahl von Nednern unter Beibringung eines umjangreichen statisti-
schen Materials über die Geschäftshandhabung der Consumvereine unterflüht.
Unter Anderem glaubt Herr Hövel nochmals besonders betonen zu müssen,
daß die Consumvereine und dergleichen sozialistische Bestrebungen verfolgen,
dem Staats= und Gemeinwohl Schaden und Gefahren bringen, während
Herr Hornemann (Eberswalde) ganz entschieden vor einer solchen Auffassung
warnt und auf den diametralen Gegensaß der Schulze-Delitzsch'schen „Selbst-
bilfe" und der sogialistischen „Slagishilse" aufmerksam macht. Auch Herr
Kaiser (Breslan) führt aus, daß die Consumvereine, wenn sie außer ihren
bisherigen Verkaufsartikeln die Vertheilung noch weiter ausdehnen, schließlich
auch zur Commune führen würden. Der Congreh gibt schließlich seinen
Standpunkt in folgender Erklärung kund: „Die Consum-, Beamtenconsum=
und Hausfranenvereine sind dem Staats= und Gemeinwohl schädliche und
gefährliche Bestrebuungen, und es wird deshalb der Vorstand des Central-=
verbandes beauftragt, im Instanzenwege bei der kaiserlichen Reichsregierung,
den Staatsregierungen, dem hohen Reichstage und den zuständigen Vehärden
zu beantragen: „1) alle Consumvereine zu verpflichten, sich unter das Ge-
nosseusch chait-geigt zu stellen; 2) alle Consum= und Hausfrauenvereine auf
Höhe ih ihrer Jahresumsähe zu der Gewerbe-, Staats= und Commnunalsteuer
herannziehen 3) alle Beamtenconsumvereine des deutschen Reiches aufzu-
heben und gesetzliche Bestimmungen dahin zu treffen, daß Staats= und Ge-
meindebeamten oder deren Frauen kaufmännische Geschäfte nicht betreiben
dürfen; 4) diese Beschlüsse mit allen gesetyzlichen Mitteln durchzuführen.“