Das deulsche Rtich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 16 —17.) 137
16. September. (Deutsches Reich.) Vice-Admiral Werner
verlangt in Folge der Interpellation Mosle über den Untergang
des Großen Kurfürsten und der Beantwortung derselben Seitens
des Marineministers v. Stosch seine Entlassung.
16.—17. September. (Deutsches Reich.) Reichstag: Erste
Lesung des Entwurfs eines Gesetzes gegen die Sozialdemokralie.
Erklärung Stolbergs, Rede des Reichskanzlers, Rede des Sozial-
demokraten Bebel. Der Entwurf wird an eine Commission von
21 Mitgliedern zu gründlicher Prüfung, resp. Amendirung, nament-
lich bez. der Dauer der Gültigkeit des Gesetzes, gewiesen.
Uebersicht der Debatte: Zuerst gibt der Stellvertreter des
Reichskanzlers Graf Stolberg folgende Erklärung ab: „Cs ist nicht
meine Absicht, Ihnen eine ausführliche Darlegung von den Ansichten der
verbündelen Regierungen bezüglich der gemeingefährlichen Bestrebungen der
Sozialdemokratie zu geben. Ich glaube, daß Jeder, der den öffentlichen
Dingen in den letzten Monaten gefolgt ist, vollständig im Klaren darüber
sein wird, welche Stellung zu dieser bewegenden Frage die Regierungen ein-
nehmen. Zudem ist der Gesehentwurf von so ausführlichen, eingehenden
Motiven begleitet und enthält eine so genaue Darlegung der Erwägungen,
weßhalb die Regierungen ein gesetzliches Einschreiten für nothwendig halten,
daß es auf eine Wiederholung dieser Darlegungen hinauskommen würde,
wenn ich Ihnen gegenüber im Einzelnen diese Bestimmungen hier vertreten
wollte. Es wird sich ja auch im weiteren Stadium der Berathung Gelegen-
heit finden, die Stellung der Bundesregierungen zu vertreten. Das Eine will
ich aber nur kurz hier mit voller Bestimmtheit erklären, daß die Negierungen
von der Ueberzeugung der Nothwendigkeit durchdrungen sind, die Wassen
derartig, wie der Entwurf vorschlägt und beansprucht, zu erhalten, wenn
anders sie in der Lage sein sollen, den Gesahren, mit denen die sozial-
demokratische Bewegung Staat und Gesellschaft bedroht, erfolgreich und
wirksam entgegenzutreten. Daß die Gefahren bestehen, davon werden Sie
mit wenigen Ausnahmen wohl Alle überzeugt sein. Ich möchte hierbei gleich
im Voraus der Annahme entgegentreten, als ob die Regierungen sich in der
Illusion besänden, daß die vorgeschlagenen Maßregeln allein ausreichen könnten,
der Bewegung mit Erfolg entgegenzutreten und die Gefahr zu beseitigen;
nein, die schwierigste Arbeit liegt auf einem anderen Gebiele: es wird
darauf ankommen und wird eine Pflicht sein für den Slaat wie für freie
Vereinigungen, für öffentliche Corporatienen wie für jeden Einzelnen, darauf
hinzuwirken, daß Gottesfurcht, Treue, Fleiß, ahariasktn Iuvorlässigleit in
Handel und Wandel gekräftigt werde (Beifall) — die Verführungen
der Sozialdemokraten auf diese Weise nicht uand so senl Doden gewinnen,
daß die Truggebilde, welche in diesen verbreiteten Theorien liegen, beseiligt
werden; daß dafür gesorgt werde, daß nicht diese Agitationen unter irgend
einem Scheine von Gesehlichleit künstighin betrieben werden können. (Beifall.)
Diese letzlere Thätigkeit ist durchaus nothwendig, wenn es gelingen soll, den
Bewegungen mil Schärfe und mit Erfolg entgegenzutreten. Wenn der Staat
solche wirksame scharfe Mittel in Anwendung bringl, dann handelt er meines
Erachtens nicht allein im Interesse seiner Selbsterhaltung, sondern zugleich
im Interesse der Bevölkerung felbst, namentlich der arbeitenden Bevölkerung,
die vor allem den Intriguen der jozialdemokratischen Bewegung ausgesetzt ist
(iehr wahr! Beifall). Ich beschränke mich auf diese wenigen Worte, aber