Das deuische Reich und seine einzelurn Glieder. (Oct. 1—2.) 151
hat, als sehr nebensächlich. Die Ausdehnung dieser V zerhandlungen kommt
ansschließüch auf Rechnung der nationalliberalen Portei. Der Standpunkt
der Gruppen rechts und linls von den Nalionalliberalen war in der Com-
mission ein ganz bestimmt gegebener. Die nationalliberale Partei aber war
in sich uneins; sie erschien fast bei jeder Abstimmung gespalten. Alle Reden
der Conservativen einerseits, der Fortschrittspartei und des Centrums anderer-
seits hatten daher nur den Zweck, einen ausschlaggebenden Theil. der Natio-
nalliberalen nach Rechts bezw. nach Links hinüberzuziehen. Die national-
liberale Partei im Ganzen war von vornherein unter Aufgebung des im
Mai eingenommenen Standpunktes auf den Boden des Regierungsentwurfs
getreten. Aber manche ihrer Mitglieder wollten wenigstens bei den Einzel-
bestimmungen über die Verfolgungsmethode gegen die Sozialisten markiren,
daß sie noch einen selbständigen Standpunkt einnähmen und keineswegs ge-
sonnen seien, in die große Partei Bismarck sans phirase überzugehen. Dieses
selbständige Auftreten an sich, weniger der Gegenstand, um den es sich dabei
handelt, scheint beim Kangler jene Mißstimmung hervorgebracht zu haben,
welche der bekannte Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." gegen Lasker reflektirke.
Die Wirkung dieses Artikels auf die Natiohlalliheralen in der Commission
war nicht zu verkennen. Vor jenem Artikel erschien Lasker in der Commis-
sion als ihr Führer. Nach jenem Artikel wurden auch die nationalliberalen
Amendements, mit welchen Lasker von vornherein einverstanden war, nicht
mehr von Lasker, sondern von anderen Fraktiansmitglichern eingebracht.
Schwerer als das äußerliche Zurücktreten Lasker's wiegt aber der Umstand,
daß er jeht mehr und mehr bei den Abstimmungen ifolirt blieb. Bennigsen
gab mit den übrigen Fraklionsgenossen (Stauffenberg war zuletzt verhindert)
vielfach gegen ihn nach Rechts den Ausschlag. Die anderen Parteien hatten
zuerst angenommen, daß der linke Flügel der Nationalliberalen auf den
Boden des Ausnahmegesetzes nur getreten sei, nachdem er von der übrigen
Partei bestimmte Zusicherung erhalten, daß unter allen Umständen gewisse
Kautelen und Einschränkungen gemeinschaftlich festzuhalten seien. Der Ver-
lauf der Commissionsverhandlungen hat diese Voraussetzungen gestört. Lasker=
Stauffenberg wurden in der wichtigen Frage der obersten Beschwerdeinstan)
von den Fraktionsgenossen im Stiche gelassen; die Handhabung des Aus-
nahmegesetzes wurde einem Ausrahimegeicht unterstellk. Damit hat sich der
linke Flügel in die denkbar ungünstigste taktische Positivn gebracht. Lasker
konnte dem Gesenz, wie es aus der Commission hervorging, im Gegensatz zu
seinen Fraktionsgenossen nicht zustimmen; er hat aber auch nicht gegen das
Gesetz gestimmt, in welchem er schon so viel Bedenkliches annehmbar erklärt
halte. An und für sich liegen im Plenum die Chancen für Lasler aller-
dings günstiger als in der Commission. Dort waren die 38 Stimmen der
Polen, Elsässer und Sozialdemokraten in Folge der bekannten Vorgänge bei
den Wahlen durch Gneist vertreten; zudem sehlte in der Commission zum
Schluß Stauffenberg. Aber immerhin bedarf Lasler im Plenum aus den
Nationalliberalen 25 Stimmen, um seinen Standpunkt zur Geltung zu
bringen. Wird er diese jinden: Wird er die in der Commission verlorenen
Positionen wieder zu erringen suchen, oder wird er das, was er in der Com-
mission für unannehmbar erklärte, im Plenum, wenn auch erst bei der dritten
Lesung, für annehmbar erachten?“
1. October. (Preußen.) Trotz der Unterhandlungen mit Nom
und dem neuen Papste geht die Ausführung der Maigesetze ihren
gemessenen Weg weiter. Die Aufhebung der klösterlichen Nieder-
lassungen mit Ausnahme der ausschließlich der Krankenpflege ge-