Das deuische Reich und seint einzelnen Glieder. ECct. 13 —14.) 163
13.—14. October. (Dentsches Reich.) Zweite Hauptver-
sammlung des deutschen antisozialdemokratischen Arbeitercongresses
(Gewerksvereine) unter dem Vorsitze seines Gründers Dr. Max
Hirsch in Dresden. An derselben betheiligen sich 42 Corporalionen,
die zusammen etwa 50,000 Mitglieder vertreten. Von 110 Cor-
porationen sind Entschuldigungen eingegangen; nur 3 Vereine indeß
motiviren ihr Fernbleiben vom Congresse damit, daß eine Bestim-
mung ihrer Statuten ihnen die Theilnahme an einer politischen
Versammlung untersage. Der GCongreß beschließt eine Reihe von
Resolutionen behufs Besserung der Verhältnisse der Arbeiler.
Zur Theilnahme an dem Congresse hatte dessen ständiger Ausschuß,
mit dem Reichstagsabgeordneten Dr. Max Hirsch an der Spipße, eine Auf-
forderung erlassen, welche sich ausschließlich „an alle Liberalen Deutschlands“
richtet und in der es u. A. heißt: „Die jüngsten überaus beklagenswerthen
Vorgänge in unserem Baterlande müssen, welches auch die besonderen Beweg-
gründe gewesen sein mögen, unzweifelhaft als Symptome. lief zerrütteter
sogialer Anschauungen und Zustände aufgefaßt werden. Der dentsche Ar-
beiterrongreß ging aus von der Anerkennung der ungeheuren Gefahr, welche
in der sozialdemokratischen Bewegung gegen Staat und Gefellschafl, gegen
Freiheit und Cultur, gegen Sittlichkeit und nationale Ehre sich heranwälzt.
Diese Gefahr steht klar vor aller Angen, jetzt thut es nur noth, vor dem
Uebermaß des Schreckens und vor übereilten Mabnahmen zu warnen. Zu
diesen werden vor allem „reaktionäre Ausnahmegesehe“ gerechuet. So ver-
kehrt und verderblich die Sozialdemokratie auch ist, sie ist geistiger Natur
und materielle Mittel vermögen ihr nicht beizukommen... Wir wollen
vor allem die Unbildung und Unklarheit, in welcher die sozialdemokratischen
Verirrungen wurzeln, durch Bildung und Aufklärung der Massen beseiligen.
.. Aber auch die populärsten Artikel und Neden können dieß nur erreichen,
wenn sie mit hilfreicher That gepaart sind. Der denutsche Arbeiter-
congreß ist insbesondere durchdrungen von der Nothwendigleit einer Organi-
sation der gewerblichen Klassen.“" Das Programm des Congresses stellt unler
anderen folgende Forderungen an die Gesetgebung und Verwaltung: allge-
meines gleiches und direktes Wahlrecht mit Diaten, gerechtere Vertheilung
der Steuern, Verkürzung der Militärdienstzeit, wesentlich erhöhte unentgelt-
liche Volksbildung, geseklicher Schuh der Arbeiter, besonders der jugendlichen
und weiblichen, gegen jede Schädigung und Ausbeutung bei jeder Art von
Beschäftigung, obligatorische Einführung der gewerblichen Schiedsgerichte, ge-
sebliche Anerkennung der Gewerkvereine und Einigungsämter, dagegen Ab-
wehr neuer Beschränkungen der Koalitionsfreiheit und Beseitigung der die
freie Arbeit unterdrückenden Konkurrenz der Strafarbeit und der die Arbeiter
schädigenden. Einrichtungen in den Staats= und Neichsaunstalten, sowie bei
der Militärarbeit. Der Dresdener nationalliberale Reichsverein hat, „obwohl
er den Bestrebungen des Congresses auf rein sozialem Gebiet im Allgemeinen
einen Beifall zollt“, beschlossen: „In Erwägung, daß der Congreß in seiner
Aufforderung 372 seinem Programm die Bestrebungen zur Bekämpfung der
Sozialdemokratie mit der Verfolgung einseitiger politischer Tendenzen der
Fortschrittspartei in Verbindung bringt und in seinen Siatnten die Theil-
nahme am Congreß von der Anerkennung dieses Programms abhängig macht,
es abzulehnen, sich durch Delegirte bei der Bersammlung des Congresses zu
betheiligen.“ Die Erössfnungsrede des Dr. Hirsch handelt „über die wahre
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