Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

184 Das deulsche NReich und seine rinzeluen Glieder. (Nov. 19.) 
weitige Regelung einzelner gesetzlicher Compelenzbestimmungen bedingt ist. 
wird Ihnen ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt werden. Die Vor- 
arbeiten für die Weiterführung der Reform der inneren Ver- 
waltunge- Einrichtungen haben in Folge der Aufgaben von unmittel- 
barer Dringlichkeit, welche die Staatsregierung seit dem Frühjahr ununterbrochen 
in Anspruch genommen haben, bieber nicht soweit gefördert werden können, 
daß Ihnen in der gegenwärtigen Session weitere Vorlagen darüber zugehm 
könnten; die Durchführung des bedeutsamen Reformwerles für die gesammte 
Monorchie gehört jedoch nach wie vor zu den nächsten Zielen, welche die 
Staatsregierung im Zusammenwirken mit der Landesvertretung zu erreichen 
hofft... Bezüglich des im vorigen Jahre ausgearbeiteten Entwurfs des 
K nterrichtsgesetzes haben die weiteren Verathungen im Laufe des letzten 
Jahres theils wegen der Schwierigkeiten vielfach dabei zu erledigender wichtiger 
Fragen, theils aus äußerlichen Gründen nicht soweit gefördert werden können, 
um den vollständigen Entwurf Ihrer Beschlußnahme schon in dieser Sibungs- 
periode zu unterbreiten. Die Staatsregierung ist sich jedoch ihrer Ver- 
pflichtung, denselben mit allen Kräften auch ferner zu fördern, vollständig 
bewußt. Schon jetzt darf sie freilich ihre Ueberzeugung dahin aussprechen, 
daß auf demienigen Gebiele, auf welchem die Neuregelung der gegenwärtig 
bestehenden Verhaltnisse am dringlichsten ist, dem der Unterhaltung der öffent- 
lichen Bolksschulen, eine befriedigende Lösung der Aufgabe nicht ohne sehr 
erhebliche finanzielle Mehraufwendungen des Staatles möglich sein wird, für 
welche die Mittel neu zu beschaffen sind Im Interesse der Landeswohl- 
fahrt erweisl sich eine kräfligere Zusammenfaisung und Ordnung des Eisen- 
bahnweseus, sowie die Ergänzgung des vbaterländischen Eisenbahnnebes in ver- 
schiedenen Aheilen des Slaates als unerläßlich. Sofern, wie gehofft wird, die 
Behuf#e demnächstiger Ueberführung wichliger Actien-Eisenbahn-Unternehmungen 
in die Hände des Staates und für den Vau einiger besonders dringlicher Eisen- 
bahnlinien eingeleiteten Vorarbeiten bei i Zeiten zum Abschluß gelangen, wird 
Ihnen eine deWßfallsige Vorlage zugehen. 
Die Thronrede wird von den nicht allzu zahlreich anwesenden Mit- 
gliedern beider Häuser lantlos enkgegen genommen. Dennoch verdient und 
findet sie volle Beachtung. Das Hauptgewicht legt sie auf die finanzielle 
Lage des preußischen Staatshaushaltes, welche die legielatorische 
Initialive der Regierung nach manchen Seiten hin beschränklt. Das Ver- 
waltungsjahr 1877/78 hat allerdings einen nicht unerheblichen Ueberschuß 
gegen den Voranschlag ergeben; indessen ist derselbe durch die Erhöhung der 
Matricularbeiträge aufgezehrt worden. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, 
daß dieser Ueberschuß nicht die Folge einer erheblichen Steigerung der 
laufenden Einnahmen des preußischen Staates gewesen ist. Bei der ersten 
Ausstellung des Etats für das nächste Jahr hatle sich in dem ordentlichen 
stat ein Minus von ekwa 20 Mill. Mark ergeben. Da aber, wie die Er- 
öffnungsrede durchaus zutreffend sagt, Ersparungen nur in geringem Umfange 
thunlich erscheinen, wenn die Schädigung wichtiger Interessen und die Ver- 
lümmerung erfreulicher Entwickelungen vermieden werden soll, so hat man 
sich darauf beschränken müssen, das Minus auf 11 Mill. Mark zu reduciren. 
Hiezu tritt sofort die dem preußischen Finanzwesen eigenthümliche Schwäche 
in den Vordergrund. In keinem Großstaat mit geordueten Finanzen würde 
der Finanzminister mit einem verhällnißmäßig so kleinen Deficil hervor- 
treten; überall ist Sorge dafür getragen, für Mehrbedürfnisse oder Ein- 
nahme, Ausfälle i in engem Nahmen ein Gegengewicht in einer mobilen Steuer 
zu schaffen. In Preußen aber sind die hauptsächlichsten Einnahmen des 
Staates durchaus stationär. Die directen Steuern können nur durch ein 
besonderes Gesetz ergiebiger gemacht werden. Die Classensteuer ist bekanntlich
	        
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