262 Die Oeflerreichisch. Ungarische Monarchie. (Nov. 14. 27).
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wenn auch nur mil langsamen Schrilten, aber forlwährend näherten. Indem
wir unsere Ausgaben auf das geringste Maß des unumgänglich Nothwendigen
beschränkten, andererseits aber unsere materiellen Kräfte in außerordentlichem
Maße anspannten, haben wir erreicht, daß in unferem Staatshaushalt das
Deficit von Jahr zu Jahr kleiner wurde, daß wir die nöthigen Schritte zur
Consolidirung wenigstens der ersten Hälste einer sehr lästigen schwebenden
Schuld einleiten konnten, und so schien allerdings die Hoffnung vollkommen
berechtigt, daß es bei weiterem Fortschreiten auf diesem Wege gelingen werde,
auch bezüglich der zweiten Hälfte dieser Schuld ähnliche Verfügungen zu
treffen, in unserem Staatshaushalt aber dem Gleichgewicht auch fernerhin
immer näher zu kommen. Die neuesten Ereiguisse haben leider diese Hofss-
nung in nicht geringem Maße erschüttert, indem sie für einen anderen, von
uns nicht vorherzujehen gewesenen Zweck jene Opfer in Anspruch nahmen,
welche wir für die Regelung unserer Finanzen zu verwenden beabsichtigten,
und der Natur der Dinge nach vermag und Niemand eine Garantie dafür zu
bieten, bis zu welchem Mass diese anßerordentlichen Opfer sich noch erhöhen,
wo und wann sie ihre Grenze finden werden. Auch die Frage, in welcher
Weise die occupirten und thatsächlich in Besitz genommenen Provinzen admini-
slraliv In organisiren seien, wird beiden Legislativen, deren Competenz
diese Frage nicht entzogen werden kann, nicht geringe Sorge ver-
ursachen. Die unverkürzte W der Basis unseres Consti-
tutionalismus aber bildet den sehnlichsten Wunsch Ungarns. Ungarn hat
keinerlei Aspirationen, welche auf eine Vergrößerung seines
Gebiets gerichtet sind; es will seine ganze Kraft auf das Werk der
inneren Reformen, auf die Verbesserung. seiner vollswirthschaftlichen Verhält-
nisse verwenden; denn ohne diese, allergnädigster König und Herr, find wir
nicht im Stand, auch nur die bisherigen Lasten für längere Zeit
zu ertragen. Die teuertrest des Landes ist bereits derart angespannt,
daß an eine Steigerung derselben vor einer bedeutenden Erhöhung des all-
gemeinen Wohlstandes nicht zu denten ist. Für die Hebung des Wohlstan-
des, für die Entwicklungsfähigkeit des Landes aber ist die erste unerläßliche
Bedingung: Friede und Ruhe! Auch darauf würden wir ohne Schwanken
verzichten, wir würden jedes Einzelinteresse in den Hintergrund drängen,
unseren letzten Heller, unferen letzten Blutstropfen Ew. Majestät zur Ver-
fügung stellen, wenn Ihre Monarchie von wo immer her durch eine wirk-
liche Gefahr bedroht würde; damit sich aber dann uusere Kraft, mit ihrem
vollen Gewicht geltend machen könne, damit sie genügend sei, um jeden Feind
zu besiegen, müssen wir sie so lange schonen, bis nicht solch ein Moment der
äußersten Nothwendigkeit, eintritt.
Die Rede Tisza's in der Adreßdebatte lam natürlich eine Entschei-
dung in der Occupationsfrage weder bringen, noch sollte sie es, aber sie ar-
beitet dem Grafen Andrassy, was wenigstens Ungarn betrifft, wirksam vor,
so gesch P chickt ist sie der Stimmung und den Vorurtheilen des Landes angepaßt.
Abwe Feelnd wird das Gespenst des Slavismus — in Ungarn braucht es
nicht erst zum Pauflavismus erweitert zu werden — mit oft grellen, speziell
antirussischen 1 Pinfelstrichen an die Wand gemalt, dann der Wunsch und die
öglichkeit betont. die Türlei innerhalb gewisser, allerdings slark reducirter
Grenzen am Leben zu erhalten und schließlich das Facit gezogen, daß das
von Oesterreich vollzogene Mandat Europa's nach beiden Richtungen hin seine
reichen Früchte tragen werde. Später, nachdem fast alle hervorragenden
Führer der ehemaligen Deakpartei, zuerst Szlavy, dann Zsedenyi, Bitto, die
beiden Horvath, zuletzt Wehrman gegen ihn gesprochen und die ZQccupations=
polilik aufs entschiedenste verdammt halten, ergreist Tisza nochmals das
Wort, um unter großem Beifall der ihm unbedingl ergebenen Partei die