Eöroßbriltannien. (Juli 13.) 321
die Gefahr, durch eine ihnen nicht nur in der Nationalität, sondern auch in
volitischen Zielen und in religiöser Beziehung fremde Gemeinschaft aufgesogen
zu werden, mit Besorgniß betrachtet, mit einer herrschenden flavischen Volks-
mehrheit verschmolzen werden würde. Die Bestimmung, wodurch dieser neue
Staat einem Herrscher unterworfen werden soll, den Rußland in der That
wählen würde, während seine Verwaltung durch einen russischen Commissär
ausgearbeitet und die erste Anwendung seiner Verfassungsbestimmungen unter
der Ausfsicht eines russischen Heeres begonnen werden sollen, deutet genugsam
das politische System an, von welchem er in Zukunft einen Theil bilden
soll."“ Man wird seh hen, daß alle diese Bedenken durch den Vertrag von
Berlin beseitigt sind. Dieser Vertrag hat die Verfügung über den ganzen
roßen Landstrich, dem in dem Vertrag von St. Stefano der Name Bulgarei
egeben wird, von Grund aus verändert. Beinahe zwei Deittel dieses Ge-
ietes sind unter die unmittelbare politische wie militärische Herrschaft des
ultans zurückgebracht worden; und diese Zurückgabe schlieht Thracien und
Nacedonien ein, in welchen die von jener Urkunde betroffenen Uriechischen
zevölkerungen beinahe ausschließlich anzutreffen sind. Die Bulgarei ist, im
(llgemeinen genommen, nunmehr auf die Flußbecken der Donau beschränkt
worden und hat somit nicht nur aufgehörk, irgend einen Hafen an dem
Archipel zu besihzen, sondern ist überdieß auch mehr denn hundert Meilen
von der Nachbarschaft jenes Meeres entfernt. In dem schwarzen Meere ist
der wichtige Hafen Burgas der türkischen Negierung Ansblerkiale worden,
und die Bulgarei behält weniger denn das halbe Gebiet der ihr ursprünglich
zugewiesenen Seeküste und besiyt keinen weiteren Hafen außer der Nhede von
Varna, welche für Handelszwecke kaum verwendbar ist. Der neue flavische
Staat ist daher nicht mehr stark — er läßt nicht mehr eine bedeulende Masse
griechischer Bevölkerung in einer slavischen Mehrheit aufgehen und er wird
jedenfalls Rußland nicht einen überwiegenden Einfluß auf die politischen oder
die Handelsverhältnisse jener Meere sichern. Die Ereignisse des letzten Krieges
missen wohl Rußland auf viele Jahre hinaus ein bedentendes Ansehen in
diesem Staate sichern, welcher durch die Verwandtschaft der Sprache und die
Aehulichkeit der Religion noch mehr gefördert werden wird. Indessen wer-
den die Einflüsse, unter welchen ddie Staatseinrichtungen gebildet werden
sollten, nicht mehr spezifisch russische sein. Der russische und der türkische
Commissär, welche die Wahl eines Fürsten und die Auswaßl einer Verfassung
durch die Notabeln überwachen werden, werden unter die Aufsicht einer Con-
ferenz von Botschaftern in Constantinopel gestellt werden, welche durch eine
Consular-Commission an Ort und Stelle thätig sein wird, und der Rückzug
des russischen Heeres aus der Provinz muß vor dem Zeithuntt erfolgen, an
welchem die neue Verfassung in Kraft treten soll. Die e Verwaltung wird
daher außer durch einen russischen Commissär auch durch Andere eingerichtet
werden, und die erste Anwendung der neuen Staatseinrichtungen wird nicht
unter der Aussicht eines russischen Heeres begonnen werden. Die territoriale
Trennung der unter der Regierung der Pforte verbleibenden Provinzen von
Constantinopel durch die Ausdehnung der Bulgarei bis an das ägäische
Meer war ein weiteres Ergebniß, in Betreff dessen in dem Nundschreiben
vom 1. April ausgeführt wurde, daß es geeiguet sei, die politische Stärke
der türkischen Negierung zu schwächen. Die Beschränkung der Bulgarei auf
das Donanthal hat nothwendiger Weise den „Insammneuhang der bei der
Pforte verbleibenden Gebiete wieder hergestellt... Die Zurückerstattung
von Burgas und der südlichen Hälfte der bulgarischen Küste am schwarzen
Meere unter türkische Herrschaft und der streng commerzielle Charalkter,
welcher durch den Vertrag für Batum festgesetzt worden ist, haben die Be-
drohung der Freiheit des schwarzen Meeres, welche in den ursprünglichen
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XIX. W#. 21
ZS#gosee#