Grohbrillannien. (Aug. 13—16.) 329
Die Stelle ist nach der des Vicekönigs von Indien der höchste Co-
lonialposten. den die Regierung zu vergeben hat. Die Canadier haben sich
gleich den Irländern seit vielen Jahren gesehnt, einen Prinzen des könig-
lichen Hauses zum mindesten zeitweilig beherbergen zu dürfen. Nun erhalten
sie eine Tochter der Rönigin für eine Reihe von Jahren als Spitze und
Mittelpunkt hre Gesellschaft, somit mehr als sie je erwarten dursten. Es
ist eine Belohnung für ihre treue Anhänglichkeit an das Mutterland, die
sie während der letzten kriegsschwangeren Wirren aufs neue dadurch bewiesen,
daß sich Tausende ihrer Landeskinder für den äußersten Fall zum freiwilligen
Kriegsdienst erboten hatten. Aber abgesehen von allen diesen Rücksichten,
die den Premier und die Königin bei diefer Wahl ohne Zweifel geleitet
haben, liegt in ihr noch etwas viel bedeutsameres, nämlich ein neuer Aus-
druck des Willens, die Reichspolitik (imperial poliey) zu kräftigen, und in
den weitgestreckten Gliedern des britischen Neiches das Bewußtsein der Zu-
sammengehörigkeit zu stärken — ein Bewußtsein, welches unter der Colonial=
politik des früheren Ministeriums nahezu absichtlich geschwächt worden war.
13. August. Asfghanistan: die englische Regierung beschließt,
den General Chamberlain in außerordentlicher Mission nach Kabul
zu schicken, um die Pläne Rußlands und Schir Alis wo möglich zu
vereiteln. Der Gesandte soll von drei höheren Offigieren und einem
vollständigen Reiterregiment begleitet werden. Die öffentliche Mei-
nung ist über die Tragweite der plötzlich aufgetauchten afghanischen
Frage inzwischen vollkommen im Klaren.
Lord Beaconsfield, Lord Salisbury und der indische Staatssekretär
Lord Cranbrook jollen durchweg die Auffassung des gegenwärtigen General=
Gonverneurs von Indien, Lord Lytton, theilen, daß die durch General
Abramoff eingeleiteten Verhandlungen mit dem Emir von Kabul englischer-
seits nicht allein aufmerksame Beachtung, sondern rasche Gegenmaßnahmen
erfordern. Die vier genannten Personen sind maßgebend für alles, was das
ausgedehnte indo-britische Reich belrifft, und sind entschlossen, mit allen
ihnen zu Gebot stehenden Mitteln zu verhindern, daß Rußland auf diplo-
matischem 0 erschleiche, was es auf gewaltsamem vorerst noch nicht er-
reichen könnt
14. Augun. Afghanistan: Ein Schreiben des Vizekönigs von
Indien, Lord Lykton, theilt Schir Ali in freundlicher und würde-
voller Sprache die Absicht der indischen Negierung mit, eine Ge-
sandtschaft nach Kabul zu senden, und ersucht den Emir um den
Erlaß von Befehlen zur Beschaffung eines Sicherheitsgeleits und
zum Empfange der Vertreter einer befreundeten Macht. Der afgha-
nische Fürst würdigt das Schreiben nicht einmal einer Antwort.
15. August. Die aus Indien nach Europa gegogenen Truppen
beginnen wieder nach Hause zurückzukehren.
16. August. Schluß der Parlamentssession. Thronrede der
Königin. Die wichtigsie Stelle lautet:
Das türkische Reich hat einen unheilvollen Krieg nicht ohne
schweren“ Lerlust überstanden; aber die Vorlehrungen, welche gelroffen wurden,