Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Frankreich. (März 10 -12.) 355 
Der neue Entwurf nimmt als höchste Grenze der Tarifirung der 
Zukunft die Sätze an, die bei der Reform von 1860 als die Grenze 
der möglichen Herabsetzung betrachtet wurden. Doch findet eine 
Ausnahme für einige noch nicht besteuerte Verzehrungsgegenstände, 
die neu taxirt, und für andere, die erhöht werden sollen, statt. Es 
wird beantragt, den Einfuhrzoll auf Baumwollengarn um ein 
Zehntel zu erhöhen, da die französische Baumwollen--Industrie mehr 
als jede andere durch die Concurrenz der amerikanischen Fabriken 
betroffen scheint. Zur Vereinfachung des Verfahrens der Erhebung 
beantragt der Entwurf, die Werthzölle durch specifische Zölle zu er- 
setzen. Die Kammer soll einen Ausschuß von 33 Mitgliedern zur 
Prüfung dieses wichtigen Gesetzenkwurfs ernennen. 
10. März. An diesem Tage findet in Paris ein öffentlicher 
Vortrag über die altkatholische Bewegung in Deutschland, der 
Schweiz und Oesterreich statt. Es ist dieß seit dem Concil von 1870 
das erste Mal, daß ein liberaler Katholik von der Schule Monta- 
lembert's und des P. Hyacinth Erlaubniß erhält, öffentlich über 
diese Bewegung zu sprechen, deren Umsichgreifen in Frankreich bisher 
nur von den Creignissen verhindert worden ist, ein neuer Be- 
weis von der freisinnigen Richtung des Ministeriums. 
11. März. Zwischen dem Unterrichtsminister Hru. Bardoux 
und der Kammercommission ist in Betreff der Unentgeltlichkeit des 
Volksschulunterrichts eine kleine Meinungsdifferenz entstanden. Wäh- 
rend der Minister die facultative Unentgeltlichkeit vertheidigt, aus 
finanziellen Rücksichten auf die Gemeinden, denen die Gründung und 
Erhaltung der zahlreichen projectirten neuen Schulen gesetzlich zur 
Vorschrift gemacht wird, besteht die Commission darauf, daß das 
Gesetz die obligatorische Unentgeltlichkeit des Volksunterrichts aus- 
spreche. Eine Einigung über diesen Punct dürfte sich finden lassen. 
12. März. Kammer: der Kriegsminister legt derselben den 
Entwurf eines Gesetzes für eine neue Organisation des Generalstabs 
vor. Derselbe ist kurz, klar, einfach und ganz nach preußischem 
Muster bearbeitet. 
Die Regierung dringt, da das Ausgabebudget votirt ist und 
bereits dem Senate vorliegt, darauf, daß nun auch das Einnahme- 
budget baldigst auf die Tagesordnung gesetzt und vor dem 1. April 
ganz, nicht stückweise in Zwölfteln, erledigt werde. Die Reaction 
ist nicht mehr zu fürchten: die reactionären Parteien sind für sich 
ohnmächtig und der Marschall-Präsident, der von ihnen nachgerade 
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