Ilalien. (März 7—17). 387
7. März. Erösfnnag der Parlamentssession. Thronrede des
Königs.
Die Thronmrede spricht die Ueberzeugung aus, daß Italien, dessen Ein-
heit auf unerschütterlichen Grundlagen befesligt sei, sich nunmehr den vom
VBolke vertrauensvoll erwarteten Reformen werde widmen können, und zählt
die zu unterbreitenden Vorlagen auf. Dieselben betreffen unler Anderem die
Wahlreform, Ministerverantwortlichkeit, Autonomie der Gemeinden und Pro-
vinzen, eine die ärmeren Volksclassen entlastende Steuerreform, Herabminde-
rung des Salzpreises und der Mahl lstener, Neorganisirung des höheren
Richterstandes und des Unterrichts. Die Thronrede kündigt weiter eine Vor-
lage an, damit die Armee und Marine nicht verbesserter Waffen entbehre,
und betont betreffs der Ereignisse, daß Italien die freundschaftlichsten und
herzlichsten Beziehungen zu allen Mächten unterhalten, gewissenhaft die Ver-
räge geachtet und vertrauensvolle Neutralität beobachtet habe. Mut habe
lundt Zögerung eingewilligt, an einer Conferenz theilzunehmen. Die Mächte
wünschen Europa einen dauerhaften Frieden zu sichern. „Unsere aufrichtige
Unparteilichkeit wird unseren Rathschlägen höheren Werth verleihen und das
Beispiel unserer jüngsten Geschichte uns das Argument bieten, um die der
Gerechtigkeit und den Rechten der Humanität am meisten entsprechende Lösung
zu unterstügen. Dieß ist unsere Ueberzeugung, welche uns die kostbarste
Allianz, jene der Zukunft, vorbereitet.“ Die Throurede gedeukt des iblebens
des Papstes und constatirt die freie, ohne Störungen für die Nuhe
Staates, den Gewissensfrieden und die Unabhängigkeit des geistlichen 7
kollzoo- ne Wahl seines Nachfolgers. Italien werde fortfahren, seine In-
stitutionen aufrecht zu erhalten und die Achtung vor dem religiösen Glanben
mit der kuerschillteklichrn Vertheidigung der Rechte des Staates und der
Principien der Civilisalion zu versöhnen.
Die Throurede wird vom Parlament mit tiefem Stillschweigen
entgegen genommen. Das Ministerium Depretis kann offenbar auf
eine Majorität nicht zählen. Dagegen erfolgen beim Eintreten und
beim Weggange des Königs lebhafte Evvivas.
8. März. Kammer: wählt zu ihrem Präsidenten Cairoli mit
227 Stimmen; Biancheri (Rechte) erhält 123; die Gruppe Nicotera
gibt 23 weiße Zettel ab. Die Wahl hat die Bedeutung eines Miß-
trauensvotums gegen das Cabinet.
11. März. Das Ministerium Depretis gibt seine Entlassung.
Der König beauftragt Cairoli, das Haupt der eigentlichen Linken,
mit der Bildung eines neuen Cabineks, knüpft aber darau drei Be-
dingungen: daß die bisherige auswärtige Politik keine Abänderung
erleide, daß man das Garantiegesetz nicht anrühre, und daß ekwaige
politische Reformen die Fundamentalgesetze des Staates nicht ver-
letzen. Cairoli nimmt den Auftrag an.
17. März. Die Stadt Floreng erklärt sich für insolvent.
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt nämlich, vom 18. März
au „auf drei Monate“ die Auszahlung aller fälligen Schuldcapitalien (d. h.
der ausgeloosten Nummern der städtischen Anleihen und der auf die Stadt
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