Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Ilalien. (März 7—17). 387 
7. März. Erösfnnag der Parlamentssession. Thronrede des 
Königs. 
Die Thronmrede spricht die Ueberzeugung aus, daß Italien, dessen Ein- 
heit auf unerschütterlichen Grundlagen befesligt sei, sich nunmehr den vom 
VBolke vertrauensvoll erwarteten Reformen werde widmen können, und zählt 
die zu unterbreitenden Vorlagen auf. Dieselben betreffen unler Anderem die 
Wahlreform, Ministerverantwortlichkeit, Autonomie der Gemeinden und Pro- 
vinzen, eine die ärmeren Volksclassen entlastende Steuerreform, Herabminde- 
rung des Salzpreises und der Mahl lstener, Neorganisirung des höheren 
Richterstandes und des Unterrichts. Die Thronrede kündigt weiter eine Vor- 
lage an, damit die Armee und Marine nicht verbesserter Waffen entbehre, 
und betont betreffs der Ereignisse, daß Italien die freundschaftlichsten und 
herzlichsten Beziehungen zu allen Mächten unterhalten, gewissenhaft die Ver- 
räge geachtet und vertrauensvolle Neutralität beobachtet habe. Mut habe 
lundt Zögerung eingewilligt, an einer Conferenz theilzunehmen. Die Mächte 
wünschen Europa einen dauerhaften Frieden zu sichern. „Unsere aufrichtige 
Unparteilichkeit wird unseren Rathschlägen höheren Werth verleihen und das 
Beispiel unserer jüngsten Geschichte uns das Argument bieten, um die der 
Gerechtigkeit und den Rechten der Humanität am meisten entsprechende Lösung 
zu unterstügen. Dieß ist unsere Ueberzeugung, welche uns die kostbarste 
Allianz, jene der Zukunft, vorbereitet.“ Die Throurede gedeukt des iblebens 
des Papstes und constatirt die freie, ohne Störungen für die Nuhe 
Staates, den Gewissensfrieden und die Unabhängigkeit des geistlichen 7 
kollzoo- ne Wahl seines Nachfolgers. Italien werde fortfahren, seine In- 
stitutionen aufrecht zu erhalten und die Achtung vor dem religiösen Glanben 
mit der kuerschillteklichrn Vertheidigung der Rechte des Staates und der 
Principien der Civilisalion zu versöhnen. 
Die Throurede wird vom Parlament mit tiefem Stillschweigen 
entgegen genommen. Das Ministerium Depretis kann offenbar auf 
eine Majorität nicht zählen. Dagegen erfolgen beim Eintreten und 
beim Weggange des Königs lebhafte Evvivas. 
8. März. Kammer: wählt zu ihrem Präsidenten Cairoli mit 
227 Stimmen; Biancheri (Rechte) erhält 123; die Gruppe Nicotera 
gibt 23 weiße Zettel ab. Die Wahl hat die Bedeutung eines Miß- 
trauensvotums gegen das Cabinet. 
11. März. Das Ministerium Depretis gibt seine Entlassung. 
Der König beauftragt Cairoli, das Haupt der eigentlichen Linken, 
mit der Bildung eines neuen Cabineks, knüpft aber darau drei Be- 
dingungen: daß die bisherige auswärtige Politik keine Abänderung 
erleide, daß man das Garantiegesetz nicht anrühre, und daß ekwaige 
politische Reformen die Fundamentalgesetze des Staates nicht ver- 
letzen. Cairoli nimmt den Auftrag an. 
17. März. Die Stadt Floreng erklärt sich für insolvent. 
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt nämlich, vom 18. März 
au „auf drei Monate“ die Auszahlung aller fälligen Schuldcapitalien (d. h. 
der ausgeloosten Nummern der städtischen Anleihen und der auf die Stadt 
257 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.