Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

392 Zlolien. (Juni 13—12) 
Nachdem es durch diese namentliche Abstimmung die ungesunden Elemente 
aus jeiner eigenen Partei definitiv auegeschieden hat, stützt es sich jebt. nicht 
mehr auf die längst faule „historische Linke“ allein, sondern auf eine imxo- 
sante Coalition aller gesunden Parteien des Hauses. 
13. Juni. Graf Corte, der Minister des Auswärtigen, nimmt 
als Bevollmächtigter Italiens am Berliner Congresse Theil. 
13. Juni. Kammer: die Regierung macht derfelben eine Vor- 
lage zur Herabsetzung der Mahlsteuer, die allerdings sehr drückend 
ist, aber dem Staate jährlich 70 Millionen abwirft. Die Kammer 
überweist die Vorlage den Bureaux, die sich gegen das Princip der 
Vorlage aussprechen. 
Die von dem Finanzminister projectirte quotenmäßige Herabseczung 
der Steuer um 25 Procent gleichmäßig für alle Sorten Cerealien wird von 
sämmtlichen neun Bureaux verworsen. Dagegen geben alle Bureaux den von 
ihnen gewählten Commissarien den Auftrag, statt der guolenmäßigen Herab- 
sebung die gängliche Abschaffung der Mahlsteuer für die sogenannte zweite 
oder geringere Kategorie der Cerealien zu befürworten. In diese zweite 
Kategorie gehören außer dem türkischen Weizen auch noch Roggen, Hafer und 
Gerste. Diese drei letzteren Gelreide-Sorlen fallen jedoch nur mit sehr wenig 
erheblichen Quantitäten ins Gewicht, da in Italien der Verbrauch von 
Roggenmehl u. f. w. ein verschwindend geringer ist. Sehr erheblich ist da- 
gegen namentlich in den nördlichen Provinzen der Consum von Maisschrot 
und Maismehl, die zur Bereitung der Polenta dienen, welche die fast aus- 
schließliche Nahrung der ärmeren Classen ausmacht. Nur für eine einzige 
Getreide-Sorte, die allein die erste Kategorie darstellt, für den Weizen, wird 
die Mahlsteuer noch beibehalten bleiben, und zar in unveränderter Höhe. 
Finanziell dürften beide Methoden, die von dem Finanzminister vorgeschla- 
gene quotenmäßige Herabsehzung um ein Biertel und die von den Bureaux 
vorgezogene gängliche Abschaffung der Mahlsteuer für die gworlte Getreide- 
Kategorie, nahegu die gleichen Resultate ergeben, da bisher die Einnahmen 
aus dieser zweiten Kategorie ungefähr gerade ein Viertel der Gesammteinnahme 
aus der Mahlsteuer betrugen. 
17. Juni. Kammer: in Folge der Verwerfung des neuen 
Handelsvertrags zwischen Frankreich und Italien seitens der fran- 
zösischen Kammer wird die Regierung vom Abg. Luzzati über die 
nunmehrige Sachlage interpellirt. 
Luzzati, der eigentliche Urheber des neuen ital. aulonomen Zolltarifs, 
widerlegt die Einwendungen des Berichterstatters der fran ösischen Kammer gegen 
den Handelsvertrag vom 6. Juli 1877 und drückt die freundschaftlichsten Gesin- 
nungen für Frankreich sowie die Hoffnung aus, daß bald ein Einverständniß 
zwischen den beiden Ländern ersielt werden könne. 4% erwidernd legen 
der Ministerpräsident und der Finanzminister den Standpunkt der Regierung 
ar: es sei forkan unmöglich, eine neue Verlängerung des Handelsvertrages 
zuzugestehen; die Anwendung des allgemeinen Tarifs gegenüber Frankreich 
stelle sich als absolute Nolhwendigkeit heraus. .Dagegen könne eine Ver- 
längerung der Schifffahrts-Convention zugestanden werden. Der Conventio- 
naltarif werde aufrecht erhalten, sei es nuun gegenüber denjenigen Staaten, 
mit welchen Unlerhandlungen im Gange seien, oder gegenüber Staaten, be- 
züglich welcher Italien durch die Klausel der meistbegünstigten Nation ge- 
 
	        
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