Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jau. 22. 43
mung, wonach die Annahme von Lehrmittelunterstützung den Wahl-
rechtsverlust bewirkt, zur Tagesordnung über. Die Regierung spricht
sich energisch gegen die Anträge aus.
Der Regierungsvertreter hebt hervor, daß die Anträge der Ultramon-
tauen von der Voraussehung nicht vorhandener idealer Zustände ausgehen,
gegenüber welchen sich die Regierung auf den realen Boden stellen müsse.
Man könne vor den schönen Eigenschaflen des Volkes alle Achkung haben,
daneben sich aber doch der Wahrheit ucht verschließen, daß sich unter dem
VBolke Elemente befinden, welche der nöthigen politischen Bildung und Reife
entbehren und deßhalb leicht zu umwälzenden Bestrebungen mißbraucht
werden können. Der Staat müsse fest gegründet sein und bedürse einer
großen Stetigkeit in seiner Entwicklung, wofür das indirelte Wahlsysiem
eine Garantie biete. Dieses Wahlsyustem beeinträchtige die Freiheit des Volkes
nicht, es setze nur Einschränkungen fest, die den Staat schützen gegen über-
mäßige Beeinflussung seines Lebens durch einzelne Agitaloren und durch
Prinzipien, welche die Ordnung des Rechtsstaales und das Wohl des Volkes
ernstlich bedrohen. Auch die Redner der Linken sprechen sich im Allgemeinen
in diesem Sinne aus, nur Einige geben der Ueberzeugung Ausdruck, daß
das direkte Wahlsystem eimmal eingeführt werden müsse, daß aber jeßt die
Zeit dazu noch nicht gekommen sei. Die Ultramonkauen sind erbitlert über
die ihnen zu Theil gewordene Zurückweisung, und Einer derselben ergreist
die Gelegenheit, den Staatsminister Turbau aufzufordern, seine frühere Aeuhe-
rung, „daß das Land eine ultramontane Negierung nicht ertragen würde,“
zurückzunehmen; auch legt er Zugleich Verwaheung ein gegen die Bezeichnung
seiner Partei als, ultramontane". Dem enigeguet der Staalsminister, daß
er nicht eine Sylbe von dem zurücknehmr was er gesagt habe, und hier
wiederhole, daß eine ultramontane NRegierung das Land dem Verderben ent-
gegenführen würde. „Sie Alle, wie Sie hier auf diesen Bänlen sitzen,
wären nicht im Stande, Ihre Versprechungen zu erfüllen, denn Sie sind
nicht abhängig von Ihrer eigenen Ueberzeugung, sondern Sie erhalten hre
Befehle von ciner andern Seite.“ Damit ist das Tischtuch vollends entzwei-
geschnitten, und als der Präsident sich weigert, die Bezeichunng „ultramon-
tau“ zu rügen, droht die Parkei, den Saal zu verlassen, was sie aber doch
nicht thnt. — Einen weiteren Zwischenfall veranlaßt der Ankrag der Ultra-
montauen auf nachträgliche Ablieferung des gesperrien Zischtiiel- für den
erledigten ergbischöflichen Stuhl in Freiburg und Genehmigung des-
selben pro 1878 und 1879. Die Regierung erklärt, daß nicht sie, jondern
die Kurie an der Unmöglichkeit, den Freiburger Bischofsstuhl zu besetzen,
schuld sei, indem lettere nur solche Kandidaten vorschlage, welche den Eid
auf die Gesetzgebung verweigern. Die Regierung allein könne keinen Erg-
bischof ernennen und — ohne Erzbischof keine Bezahlung. Die empfind-
lichste Niederlage jedoch wird der Partei durch ein Mitglied aus iheen gigguen.
Reihen bereitet. Ihr Autrag auf Abönder#ug des Gesetzes über die 2
bildung und das Staatseramen der Geistlichen gibt den olnlaß
dazju. Nachdem der Minssterprnstdenkt erklärt hat, daß zuvor der bischöfliche
Erlaß gegen das Geseth zurückgenommen werden müsse, bevor man überhaupt
die Angelegenheit in Erwägung Fiehen könne, und nachdem anderseils darauf
hingewiesen worden, daß selbst der anwei sende ultramontane Abgeord-
nete Hausjakob in seinem Buche über Italien zur Ablegung des ver-
langten Staatseramens geralhen habr, erhebt sich dieser und jagt, es sei ein
großer Fehler der Kurie gewesen, daß sie sich nicht mit der kirchlichen. Gesetz=
gebung des Ministeriums Lamey voll und ganz verföhnte. Er billige das
betreffende Gesetz nicht, aber so wie die Dinge jeyt liegen, müsse die Kurie