Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

466 Die ottomannische Vforle. (März 3.) 
Vertrag wird durch Ihre Maj. den Ktaiser von Rußland und den Kaiser 
der Osmanen ratifizirt werden und die Ratifications-Urkunden werden binnen 
14 Tagen oder wenn möglich noch früher zu St. Petersburg ausgetauscht 
werden, wo man gleicher Weise den Ort und die Zeit bestimmen wird, wann 
und wo die Stipulationen des vorliegenden Vertrages diesenigen feierlichen 
Formen erhalten werden, die bei Friedensverlrägen üblich sind. Es bleibt 
trohdem wohlverstanden, dant die hohen Vertragsmächte sich durch den vor- 
liegenden Act von endem Zeitpuncte seiner Natification an als förmlich ge- 
bunden erachlen. In Veglaubigung dessen haben die betreffenden Bevoll- 
mächtigten den vorliegenden Act mit ihrer Unterschrift versehen und ihr 
Siegel dazugesegtt.“ 
Der Vertrag ist wesentlich das Werk Ignatieffs. Die öffent- 
liche Meinung Europas, namentlich in England und Oesterreich, ist, 
sobald der Wortlaut bekannt geworden, darüber einig, daß dieser 
Vertrag für Europa absolut unannehmbar fei. 
Als Rußland den Krieg begaun, stellte es die Beschützung der C Christen 
auf der Ballanhalbinsel in den Vordergrund und gibt offiziell fort und fort 
vor, daß dieß sein Zweck gewesen sei und sei. In Wahrheit ist alle Welt 
davon übergengt, und die russische panflavistische Presse läßt darüber auch 
gar keinen Zweifel, daß die angebliche Beschützung der Christen nur das 
Miltel zum Zwecke war und ist und daß Nußland als fein letztes Ziel 
nichts geringeres im Auge hat, als eine dauernde Besetzung Constantinopels 
und die Zurückwerfung der Türken nach Asien. Dieses Ziel hat Nußland 
freilich durch den Vertrag von St. Stefano nicht erreicht. Aber immerhin 
wären, wenn es ihm gelänge, denselben durchzusetzen, von der enropäischen 
Türkei nur noch unzusammenhängende Fetzen übrig, die Türkei selbst kaum 
mehr lebensfähig und die ganze Balkanhalbinsel dem ausschließlichen Ein- 
lusse Nußlands Preis gegeben. 
England verlangt schon jetzt und ohne noch den vollen Wort- 
lant des Vertrags von St. Stefano zu kennen. von Nußland aufs 
entschiedenste und bestimmteste, daß der ganze Vertrag in allen 
seinen Bestimmungen der Prüfung und Entscheidung der europäischen 
Mächte vorgelegt werden müsse. 
3. Märg. Fürst Tscherkasky, der bisher von der russischen 
Regierung mit der Organisirung Bulgariens betraut war, 7 in 
St. Stefano an einem Schlagflusse. Derselbe wird durch den 
Fürsten Dondukoff-Korsakoff ersetz. 
3. Märg. (Rumänien.) Zwischen Rumänien und Rußland 
ist in Folge der Forderung einer Retrocession Bessarabiens seitens 
des letzteren eine sehr intensive Spannung und eine geradezu feind- 
selige Stimmung eingetreten. In Folge davon zeigt sich auch in 
den von rumänischen Truppen besetzten bulgarischen Districten eine 
sehr aufgeregte Stimmung der Bevölkerung gegen die Rumänen, 
welche sogar eine höchst bedrohliche Haltung anzunehmen beginnt. 
Die rumänische Regierung erkennt darin keine bloße Zufälligkeit
	        
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