HPas deutsche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Jan. 23—25.) 45
und dem gegenüber die staatliche generelle Schulausüht * Das sind schroffe
Gegensähe, um deren Lösung man sich bisher vergebens bemüht hat. Man
will verfsöhnen, wo eine Versöhnung nicht möglich ist, man will vermitteln,
wo jede Vermittlung nur die vorhandenen Schwierigkeiten vergrößert oder=
neue schafft. Denn zwischen Gewissensfreiheit und Gewissenszwang, zwischen
Hechlichrr Leitung des Religionsunterrichtes und staatlicher Ertheilung des-
selben ist eine principielle Bermittlung geradezu unmöglich. Eine prinecipielle
Lösung läge nur darin, daß der (confessionslose) Staat auf die staatliche Er-
theilung eines ünterrichts, dessen Charakter er selbst als einen confessionell-
religiösen auerkennt, verzichten und den Schulzwang aufheben würde, so weit
er mit der garantirten Gewissens gfreiheit in Collision kommt, indem er auch
dem Aufsichte. rrecht über einen Unlerrichlozweig entsagen würde, dessen Leitung.
ihm entzogen ist und ihn vielmehr den verschiedenen Confessionen selbst, aber
allerdings außerhalb der Schule, überließe. Die Regierung ist jedoch weit
entfernt, daran zu denken. Die Skaatsgewalt hat immer die Beendigung.
des jehigen Conflictes mit der römisch-katholischen Kirche im Ange, und hoift,
daß sich für diesen Fall der confessionelle Ne kligion zunterricht Zu Nutz und
Frommen beider Theile als obligatorischer Lehrgegenstand der Volksschule
erhalten lassen werde. Aber wenn sie glaubt, die Tinge ließen sich über-
haupt wieder dahin bringen, daß der Widerspruch zwischen der Gewissens-
freiheit des Art. 12 der Verfassung und dem Neligionsunterrichlszwang des
Art. 24 sich ran ein Unterrichtsgesetz, das der radikalen Lösung aus dem
Wege geht, lösen lasse, so ist sie wohl in einem schweren Irrkhum befangen.
Entweder die Gewissensfreiheit wird obsiegen und dann muß der Art. 2.1
jallen, oder die Versicherung des Herrn Falk, daß der Religions unterricht
in der Volkeschule obligatorisch bleiben werde, wird wahr und dann ist es
mit der Gewissensfreiheit für diejenigen, die sich nicht cutschliehen können,
der Religionsgemeinschaft überhanpt zu entsagen, zu Ende.
23. Januar. (Vayern.) Zwischen der bayerischen Regierung
und dem Vatican finden Verhandlungen über die Auslegung des
Concordals statt, die nachgerade einen ziemlich gereigten Charakter
annehmen. Die bayerische Regierung verlangt bezüglich der Er-
neunung der Bischöse nach dem Wortlaut des Concordats das Vor-
recht der Mahl und der Ernennung; der Vatican will nur das
erstere zugestehen und verlangt das Recht der Ernennung aus drei
vorgeschlagenen Candidaten, was Bayern nicht zugestehen will.
25. Jannar. (Deutsches Reich.) Bundesrath: empfängt
eine Vorlage, welche dem Reichskangler das Recht zuspricht, sich auch
für die Gegenzeichnung vertreten gu lassen.
Die Vorlage lautet: „Die durch die Verfassung und die Gesetze des
Reichs dem Reichskangler übertragene Leitung in der Verwaltung, Beauf-
sichligung und Bearbeitung der Reichsangelegenheiten, sowie die zur Gillig-
keit der Anordnungen und Verfügungen des Raisers nothwendige Gegenzeich-
nung des Reichskanzlers können durch Stellvertreter wahrgenommen werden,
welche der Kaiser auf Antrag des Reichslanzlers für die Fälle der Behin-
derung desselben aus anderen Mitgliedern! des Vundesraths im Allgemeinen
oder für eingelne Amtezweige ernennt.“" Die der Vorlage beigelegten Mo-
tive besagen: „Die Verfassung des deutschen Reichs erfordert im Art. 17
zur Gilligkeit der im Namen des Neichs zu erlassenden Anordnungen und