Die oltomannische Plorke. (April 20 — Mai 7.) 471
Begirk. Am 28. März aufsgesetzt, wird sie erst an diesem Tage in
Cosstantinopel abgegeben.
Die Unterzeichner beschweren sich nicht nur über arge Hintergehungen,
sontern auch überdieß über die grausamsten Mißhandlungen, von welchen
namntlich ihre Weiber und Töchter schwer zu leiden gehabt haben. Nach
Abschluß des Vertrages von St. Stefano wurde den Muselmännern erst von
der ürkischen, später von der russischen Behörde zugesichert, daß der Krieg
zu Cnde sei und daß sie daher ohne Besorguiß i in ihren Dörfern verbleiben
können. Sie thaten dieß. Allein schon fünf Tage später kehrten dieselben
russichen Reiter, welche ihnen erst diese beruhigenden Versicherungen gegeben
hatten, in jene Gegend zurück und begannen alsbald die Bewohner zu be-
rauben und zu mißhandeln. . . . In ähnlicher Weise geht der traurige
Bericht jort. In Verzweiflung über diese gräßliche Verfolgung entschloß
sich die Bevölkerung in die Berge zu flüchten und zu den Waffen zu greifen.
Im Vertrauen auf Gott und ihre gute Sache setzten sie sich hier zur Wehr,
und ihr Gesuch gehl nnn dahin: der Botschafler möge bei der Königin,
welche als Kaiferin von Indien über viele Millionen Muhamedaner herrscht,
befürvorten, daß sie als Kriegführende auerkannt werden.
29.—30. April. Großfürst Nikolaus stellt den von Kaiser
Alexander an seine Stelle zum Obercommandanten der russischen
Feldarmee ernannten General Totleben am 29. den Truppen als
Nachfolger vor und besucht mit demselben am 30. den Sultan, von
dem er sich zugleich verabschiedet. Unmittelbar darauf schifft er sich
nach Odessa ein.
Anfang Mai. Auch in Albanien beginnt es zu gähren. Ein
albanesisches Revolutionscomite hat von unbekanntem Ort aus, ohne
Unterschrift und Zeitangabe, ein sogenanntes „Manifest“ als fliegen-
des Blatt erlasfen, in welchem vor „Gott und Menschen“ gegen alle
diejenigen Verwahrung eingelegt wird, welche auf Ober-, Mittel-
und Unteralbanien Ansprüche erheben. Die Bewegung in Albanien
wird zunächst auf geheime, aber in ihren Wirkungen jetzt erkennbare
italienische Anzettelungen zurückgeführt. So viel ist sicher, daß sich
bei der allgemeinen Auflösung, in der die Türkei begriffen ist oder
begriffen zu sein scheint, auch in Albauien Selbsthülfstendengen und
Unabhängigkeitsgelüste geltend machen.
2. Mai. Nußland und die Pforte stellen ihre diplomatischen
Beziehungen wieder vollständig her. Fürst Lobanoff geht als russi-
scher Botschafter nach Constantinopel.
7. Mai. Gegenüber dem unzweifelhaften Ernste und der entschie-
den drohenden Haltung Englands beginnt Rußland einzulenken.
Der russische Botschafter in London, Schuwaloff, geht mit Ermäch-
tigung des Kaisers behufs einer Vermittlung nach St. Petersburg
(s. England).