Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Die otlomannische Vorte. (Oct. 20—28). 483 
20. Ockober. (Rumänien.) Die rumänischen Truppen halten 
mit dem Fürsten Carol an der Spitze unter enthusiastischen Ovationen 
der Bevölkerung eine Art Triumpheinzug in die Hauptstadt. 
24. October. Der russische Generalgounverneur und Regierungs- 
Commissär für Bulgarien, Fürst Dondukoff-Korsakoff, verlegt seinen 
eigenen und den Sitz der Central-Verwaltung Bulgariens von Tir- 
nowa nach Sofia. Mit der Verwaltung Ost-Bulgariens wird der 
General Stolopin betraut, der die Rechte eines General-Gouverneurs 
erhält. Fürst Dondukoff besucht von Sofia aus auch Philippopel, 
die Hauptstadt der künftigen Provinz Ost-Rumelien (oder Süd- 
bulgarien) und hält daselbst eine Rede, die allgemein als eine directe 
Aufforderung des russischen Gewalthabers an die Südbulgaren auf- 
gefaßt wird, sich über den Berliner Vertrag wegguschen und, mit 
Hülfe Rußlands, ihre Vereinigung und Verschmelzung mit Bul- 
garien anzustreben. 
25. October. Die Pforte genehmigt nach einem unter dem 
Vorsitze des Sultans abgehaltenen Großen Nathe das englische Re- 
formproject, jedoch nur mit einigen wesentlichen Einschränkungen 
und auch so nur im Principe. 
Damit ist die Pforte nicht gebunden und England hat eigentlich noch 
gar nichts erreicht. Dennoch gibt es sich vorerst damit zufrieden. Sein Bot- 
schafter Layard fürchtete offenbar, bei stärkerem Drängen den Abbruch der 
Verhandlungen und eine neuerliche Annäherung an Rußland herbeiguführen. 
Die Türkei hat durch den Krieg ihre Selbständigkeit definiliv verloren und 
durch den Berliner Frieden nicht wieder gewonnen: die Pforte — und mit 
ihr die öffentliche Meinung in Constantinopel schwanlt daher seit dem Ver- 
trage von St. Stefano zwischen den beiden — wie sie meint, retlenden 
Möglichkeiten, sich entweder England oder aber and in die Arme zu 
werfen. Ausrnticlich hat indeß England die Oberhand. 
28. October. (Aegypten.) Durch Decret des Khedive wird 
der Finanzminister Wilson ermächtigt, wegen Aufnahme einer An- 
leihe von, 8,500,000 Pfd. St. zu verhandeln, welche durch die von 
der Familie des Khedive an den Staat abgetretenen Güter garantirt 
werden soll. Falls das Erträgniß der letzleren nicht ausreicht, soll 
die Deckung des Restes ans den Gesammteinnahmen Aegyptens er- 
folgen. 
2 das Haus Nothschild übernimmt die Auleihe und bringt sie zu 
365. r. also zu 73 %% auf den Markt mit 25,25 Fr. jährlicher Zinsen. 
zn und Frankreich haben sich geeinigt, daß die Domänen des Khedive 
von einer besonderen, aus einem englischen, einem frangösischen und einem 
ägyplischen Delegirten bestehenden Commission verwaltet werden und daß die 
DTelegirten von ihren Regierungen ernannt werden sollen. Doch lehnen 
Frankreich und England ausdrücklich den Gläubigern gegenüber jede Ver- 
antwortlichkeit für Zahlung der Zinsen und der Amortisation ab. 
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