506 Nebersicht der polilischen Entwichelnng des Jahres 1878.
Maßen nur bedingten Neutralität, als sich herausstellte, daß es
Rußland doch nicht vergönnt sei, die türkischen Waffen einfach im
ersten Anprall zu überrennen, die anfänglichen russischen Erfolge
vielmehr bald vor Plewna und an der heldenmüthigen Vertheidigung
dieses Platzes durch Osman Pascha zum Stillstand kamen.
Forl- Nach dem Fall von Plewna dagegen entwickelten sich die
zong d= Dinge rascher. Bis Ende des J.1877 hatten die russischen Armeen
türki, überall die Valkankette erreicht; in den letzten Tagen desfelben über-
*iie stieg General Gurko den westlichen Theil derselben und stieg in die
Ebene von Sofia hinunter, besetzte die Stadt und rückte weiter gegen
Philippopel vor. Am 7. Jannar 1878 überschritt auch das Centrum
der russischen Armee den Balkan bei Ketschidere und Ichtiman und
besetzte Kesanlik. Die türkische Shipka-Armee war dadurch ab-
geschnitten und ergab sich am folgenden Tage, 32,000 Mann stark,
mit allen ihren Kriegsvorräthen dem General Radetzky. Am 15.
Jannar schlug General Gurko herwärts Philippopel die Hälfte der
türkischen Feldarmee unter Suleiman Pascha und schnitt ihm den
Rückzug auf Adrianopel ab; Suleiman schiffte den Rest seiner Streit-
kräste in Kawala am ägäischen Meere nach Constantinopel ein.
Ein Theil derselben trennte sich indessen von ihm und schlug sich
ins Nhodopegebirge, um dort auf eigene Faust einen Guerillakrieg
gegen die Russen anzufachen. Mit Suleiman war die letzte organi-
sirte Feldarmee der Türken geschlagen: den Russen stand bis Con-
stantinopel keine solche mehr entgegen und sie konnten nunmehr rasch
auf dasselbe zurücken. Nur in Adrianopel hätten ihnen die Türken
noch einen ernstlichen und längeren Widerstand leisten können.
Schon seit einem Jahre hatten sie wirklich alles vorbereitet, um
aus demselben ein zweites, nur noch stärkeres Plewna zu machen.
Aber nach der Niederlage Suleimans fehlten ihnen dazu die erfor-
derlichen Truppen, da sie im Lande herum nur mehr über einzelne,
Audem giemlich schwache Corps zu gebieten hatten und der Sultan
es nicht wagte, die Hauplstadt selbst von Truppen zu entblößen.
Auch war jetzt ihr Muth, ihre Widerstandskraft gebrochen. Bis
dahin hatte der Sultan noch immer sich der Hoffnung hingegeben,
daß irgend eine der Großmächte ihm schließlich doch bewaffnete
Hülfe angedeihen lassen werde. Diese Hoffnung mußte jetzt auf-
gegeben werden. Die Vertreter der Mächte, auch derjenige Oester-
reichs, halten von Anfang an dem Kampfe achselzuckend und un-
belheiligt zugesehen, nur derjenige Englands haile die Pforte zum