508 LUebersicht der polilischen Enlwichelung des Zahres 1878.
Fürstenlhum erhoben werden, dessen Umfang vorerst noch offen ge-
lassen wurde; Rumänien, Serbien und Montenegro sollten vollständig
unabhängig werden und überdieß ansehnliche Vergrößerungen er-
halten; Bosnien und der Herzegowina so wie allen andern christ-
lichen Provinzen der europäischen Türkei sollte die Pforte autonome
Administration mit genügenden Garantien ertheilen und schließlich
Rußland für seine Kriegskosten entschädigen. Wie tiefgreifend der
Friedensschluß für die Türkei ausfallen werde, ließ sich bereits aus
diesen Präliminarien erkennen. Vevor indeß der Waffenstillstand
von beiden Theilen ratifizirt sein würde, rückten die Russen unauf-
haltsam vor und weiter Constantinopel zu. Bis um die Mitte
Februar standen dieselben unmittelbar vor der Hauptstadt des Sul-
tans, von dem sie nur noch die letzten Verschanzungen, welche zum
Theil in aller Eile aufgeworfen worden waren, unter sich noch
keineswegs fest zusammenhingen und überdieß von den Türken nur
mit einer ungenügenden Truppengahl besetzt werden konnten, treunten.
Dahin, nach St. Stefano, versetzte denn auch der Großfürst Nikolaus
am 22. Februar sein Hanptauartier. Die Besetzung auch Con-
stantinopels lag ohne allen Zweifel ganz in der Hand der Russen
und der russische Reichskanzler, Fürst Gortschakoff, zeigte denn auch
den Großmächten durch Telegramm an, daß es möglich sei, daß die
russischen Truppen sich veranlaßt sehen könnten, Constantinopel
vorübergehend zu besetzen. Die Türkei lag vollkommen zu den
Füßen des Siegers, der Sultan bereitele sich schon vor, auf die
asiatische Seite der Mecrengen sich zurück zu ziehen und die Pforten-
regierung, von den Mächten im Stiche gelassen, dachte ernstlich daran,
sich, wie Server Pascha offen gestand, Nußland in die Arme zu
werfen und mit demselben eine Allianz abzuschließen, die natürlich
von einer Allianz nur den Namen getragen hätte. Rußland sah
sich am Ziel seiner Wünsche.
Die All das ließ Europa geschehen, ohne eine Hand zu rühren.
Kürtei Daß die Türkei mit ihrem schwachen Sultan und ihrer durch und
und
zaddhe durch corrupten Regierung allseitig aufgegeben war, lag auf der
Oester. Hand und ließ sich begreifen; aber daß Europa die reichen Pro-
wich unpvinzen derselben in Europa ohne Schwertstreich den Russen anheim-
fallen lassen würde, das ließ sich doch nicht begreifen. Oesterreich,
das im Grunde am allernächsten betheiligt war und sich durch eine
so radicale Veränderung an seiner Südostgrenge so zu fsagen un-
millelbar bedroht sah, erklärle zwar dem russichen Cabinet sehr be-