530 Nebersicht der polilischen Enlwichelung des Jahres 1878.
kangler, sondern auch von den Bevollmächtigten Bayerns und
Württembergs bekämpft — welche letztere rund und nett erklärten, daß
ihre Regierungen niemals auf diese Idee und die daraus nothwendig
folgende Beschränkung der gegenwärtigen Competenz des Bundes-
rathes eingehen würden — und von den Nationalliberalen im Stiche
gelassen. So wurde die Vorlage am 11. März ohne Veränderung
in der Fassung des Bundesraths in dritter Lesung mit 171 gegen
101 Stimmen genehmigt. Dem Bedürfniß des Augenblicks war
damit ein Genüge gethan; die engere Verbindung der Reichsämter
mit den preußischen Ministerien aber wurde vom Reichskanzler
wenigstens für einmal gänzlich fallen gelassen. Aufgegeben wurde
die Idee von ihm indeß wohl keineswegs und das um so weniger,
als seine Stellung in und zum preußischen Staatsministerium an-
erkanntermaßen keine ganz befriedigende war. Die preußischen Mi-
nister standen nicht wie die Chefs der einzelnen Reichsämter unter,
sondern, durch ihre eigene Verantwortlichkeit gedeckt, vielmehr neben
dem Reichskanzler als preußischem Ministerpräsidenten, und dieser
fand von ihrer Seite für seine Bestrebungen, Absichten und Pläne
begüglich der Reichsinteressen nicht immer diejenige Unterstützung,
die er von ihnen beanspruchte und deren er unumgänglich bedurfte,
um sie mit dem erforderlichen Nachdrucke und dem ihm sonst fehlen-
den Rückhalte weiter zu verfolgen und ins Leben zu führen. Zwi-
schen dem Reichskanzler und mehreren preußischen Ministern bestand
daher, wie man allgemein wissen wollte, schon seit längerer Zeit
eine mehr oder weniger intensive Spannung, und nicht ohne Grund
hieß es bald von diesem, bald von jenem preußischen Minister, daß
Preuß. seine Stellung erschüttert sei. Nun aber trat um diese Zeit und
Ministerin Folge der oben angeführten Vorgänge und Verhandlungen im
risis. preußischen Ministerium eine Krisis ein, die zu einer wenigstens
theilweisen Neubildung desselben führte. Die in Angriff genommene,
aber bisher nur in einigen Provinzen durchgeführte Verwaltungs-
reform war, da sie entweder überhaupt oder doch in ihren bis-
herigen Resultaten dem Geschmacke des Neichskanzlers nicht entsprach,
schon seit einiger Zeit ins Stocken gerathen und blieb darin trotz
wiederholter Mahnungen der liberalen Majorität des preußischen
Landtags. Da aber der Minister des Innern, Graf Eulenburg der
Aeltere, sich in dieser Beziehung dem preußischen Landtage gegen-
über für gebunden erachtete, so hatte er schon im verflossenen Jahre
um seine Cntlassung nachgesucht, vorerst jedoch nur einen längeren