Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Das deulsche Reich und seine rin#elnen Glirder. (Febr. 18—19.) 33 
16. Febrnar. (Sachsen-Weimar.) Landtag: Der Finanz- 
Ausschuß desselben schlägt einstimmig Ablehnung der von der Re- 
gierung proponirten Neuregulirung der bisherigen Bestimmungen 
bez. der Domänen vor. 
19. Febrnar. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler läßt 
dem Bundesrath eine Vorlage betr. die Veranstaltung einer Unter- 
suchung über die Lage der deutschen Eisenindustrie zugehen. 
Reichstag: Debatte über die von den beiden lib. Parteien an 
den Reichskangler gerichlete Interpellation betr. die polit. Lage im 
Orient und die hierbei von der Regierung des deutschen Reichs 
eingenommene und einzunehmende Haltung. Begründung der Inter- 
pellation durch Bennigsen. Antwort des Reichskanglers: 
Zuerst erörtert der Reichskangler die Siellug. a#u und das Interesse 
Deutschlands in der orientalischen Frage: „. .Es sind dem Waffenstillstande 
vorhergegangen gewisse Friedenspräliminarien, # ich recapitulire, um die 
Frage daran zu lnüpfen, ob in einem Punkte derselben ein deutsches Inter- 
esse engagirt ist. Der erste Punkt ist die Konstitnirung Bulgariens, und 
es kommt hier zunächst die Frage der Begräuzung in Betracht, wie sie auf 
der Konferen) zu Konstantinopel discutirt ist. (Der Reichskanzler verliest 
den französischen Tert der bezüglichen Verhandlungen und fährt fort): Der 
Unterschied zwischen den #ehrausngen ist meines Erachtens nicht von der 
Erheblichkeit, daß darum der Friede Europas in gefährlicher Weise berührt 
werden kann. Die ethnographische 8 Bulgariens ist, wie ich authentisch 
weiß, und nach der besten Karte, die wir kennen, von Kieperl, so beschaffen, 
daß die Nationalgränze ziemlich unvermischt im Westen bis dicht über Sa- 
lonichi hernuter und im Osten mit einiger Vermischung mit türkischen Ele- 
menten bis an das Schwarze Meer hinreicht, während die Konferenz, soweit 
sich dies genau aus den Verhandlungen aufführen läßt, in Ostbulgarien 
etwas nördlich von der Gränze der Nationalität bleibt, dagegen im Westen 
vielleicht elwas mehr zu Bulgarien hinzurechnet, als mit rein bulgarischen 
Stämmen bevölkert ist. Die Verfassung von Bulgarien würde nach den 
Präliminarien elwa eine ähnliche sein wie die von Serbien. Es wird also 
eine Sache der Unterhandlung unter den Mächten sein, welche den Pariser 
Vertrag von 1856 unterzeichnet haben, diese offen oder unbestimmt gelassene 
Grenze näher zu bestimmen. Es folgt dann l’indepentance n Nlontenegro. 
eben so von Rumänien und Serbien, Bestimmungen über Bosnien und die 
Herzegowina, und über die Verhältnisse dans les autres Provinces de Ia 
Turuuie. Alle diese Sachen berühren meiner Ueberzeugung nach die deut- 
schen Interessen nicht in dem Maße, daß wir darüber die Beziehungen zu 
unseren Grenznachbarn, zu unseren Freunden anfs Spiel seßen könnten. 
Wir vermögen uns die eine oder die andere Bestimmung darüber gefallen 
zu lassen, ohne an unjeren Interessen zu leiden. Es folgt dann unter V. 
eine Bestimmung über die Kriegskosten, die offen läßt ke modc. soit pécu- 
niaire. soit territorial. Das ist eine Sache, die im wesenklichen, soweit es 
sich um pecuniäre Gutschädigung handelt, uns nicht berührt, soweit es eine 
territoriale sein würde, mit den Contrahenten des Pariser Vertrages zu 
regeln wäre. Es folgt ein Punkt, über den meines Erachtens mehr Be- 
sorgniß in der Welt verbreitet ist, als durch die thatsächliche Möglichleit 
seiner Entwicklung gerechtferligt ist. Es ist dies die Dardanellenfrage. Diese
	        
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