506 Uebersichl der polilischen Enlwinelung dro Jahreo 1878.
sie die Begs, Serben von Geburt, die f. Z. sich zum Islam be-
kehrt halten, schalten und walten und diese drückten und plünderten
gemeinsam mit den von der Regierung dahin geschickten Paschas die
Najahs nach Belieben aus. Die österreichische Regierung hielt nun-
mehr wenigstens die Ruhe mit starker Hand aufrecht, wehrte den
größten Ungerechtigkeiten und schaffte zum mindesten eine gewisse
Ordnung; und schon das war für das arme Land eine große Wohl-
thal und man hat feither nichts mehr von einem weiteren Wider-
siand, von gewaltsamem Widerstreben gehört. Dagegen zeigte es
sieh bald, daß der Verliner Congreß Oesterreich mit seinem Mandat
eine schwere Last auf die Schultern gelegt hatte: nicht nur der Unier-
halt des Militärs erforderte und zwar auf unbesltimmte, jedenjalls
längere Zeil hinaus große Opfer; wenn die österreichische Regierung
ihrer Culluraufgabe nur irgend genügen wollte, wenn ihre Ver-
walkung des Landes diesen Namen allmälig verdienen, wenn das
Land mit der Zeit auch nur seinen eigenen Bedürfnissen genügen
sollle, so erforderte das große Geldmittel, deren Betrag auf viele
Millionen berechuet werden mußte. Die österreichische Regierung
bekrachtele den Besitz freilich, entgegen dem Worklante des Berliner
Meschlusses, nicht als bloße Occupation, sondern als bleibende An-
nexion und dachte nicht daran, die beiden Provinzen dem Sultan
als ihrem rechtmäßigen Herrn je wieder zurückzugeben; aber die Be-
völkerungen hatten darum doch zu so großen Opfern keine Lust,
weder diesseits noch jenseits der Leitha, am allerwenigsten in den
deutschen Provinzen des Reichs. Die beiden Regierungen kamen
dadurch ihren Parlamenten gegenüber einiger Maßen ins Gedränge.
In Ungarn ging indeß der Ministerpräsident Tisza bald völlig auf
die Intentionen der gemeinsamen Regierung und Andrassy's ein
und zog die Mehrheit des Reichstages nach sich, wenn auch dabei
seine bisherige Majorität arg zusammenschmolz; nur der Finang-
minister Szell entledigte sich seiner Verantwortlichkeit und nahm
seine Entlassung. In Oesterreich dagegen beharrte der Minister-
präsident Fürst Auersperg und mit ihm die Mehrheit des Cabinets
auf seiner schon vorher geforderten Entlassung und es ergab sich
bald als sehr schwierig, ein neues Ministerium zu bilden, das auf
der einen Seite der verfassungstreuen Mehrheit des Reichsraths ent-
sprochen und zugleich auf der andern dem bosnischen Unternehmen
seine Unterstützung gewidmet hätte. Die Folge war eine längere
Ministerkrisis, die der gemeinsamen Regierung sehr ungelegen war,