88 Dags deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 11. — 14.)
ein bedentendes Plus an indirekten Steuern gerade vom Tabak bewilligen,
deßhalb halten wir die Enquele für nützlich und deßhalb bewilligen wir die
Mittel dafür.“ Die Rede des Präsidenten des Reichskangleramtes v. Hof-
mann stehe weder im Einklange mit der Vorlage noch mit den früheren
Aeuszerungen Camphausen's und Bismarck's, die sich zum Monopol bekannten.
Die Regierung sehe die Vorlage nur als“ Vorbereitung zum Monopol an,
aber die nationalliberale Partei sei Gegnerin des Monopols, und eine jede
wirkliche Monopolvorlage werde im Reichstage scheitern. Auch eine Fa-
brikatsteuer dürfe nicht zu hoch geschraubt werden; sonst würden die Wir-
lungen noch schädlicher als die des Monopols. Die heutige Vorlage bedürfe
vielfach der Amendirung: man verlange darin zu viel von den Tabak-In-
dustriellen; dieselben dürften nicht gezwungen werden, Geschäftsgeheimnisse
zu offenbaren. Auf das Beispiel Frankreichs könne man sich nicht berufen,
denn die Berhältnisse lägen dort anders. Wolle man eine gute Enquete vor-
nehmen, so müsse man vor Allem Sachverständige hören. In diesem Sinne
sei die Vorlage zu amendiren. v. Vennigsen wendet sich hierauf in ein-
gehendster Weise gegen das Monopol und erklärt schließlich, er werde mit
seinen Freunden die Regierung loyal unterstützen, aber die Aegirrung müsse
dann auch das Ihrige thun, daß man schon im nächsten Jahre sich über
die Grundlagen einer Stenerreform verständigen könne.
11. Mai. (Deutsches Reich.) Attentat Hödel auf den
Kaiser. Der Kaiser wird nicht verwundet, der Thäter sofort er-
griffen. Es ist ein sogialistisch gesinnter Flaschnergeselle, ein frecher,
moralisch gänzlich verlumpter Mensch, der sich offenbar aus Größen-
wahnsinn zu der That hat bestimmen lassen. Von Mitschuldigen
ist keine Nede. Die Regierung beschäftigt sich alsbald mit der Frage
von Maßregeln gegen die sozial-demokratischen Agitationen und
Wühlereien. Die sozial-demokratische Partei protestirt indeß gegen
ihre Solidarität mit Hödel.
14. Mai. (Deutsches Neich.) Reichstag: Berathung über
den von der Regierung mit Rumänien abgeschlossenen Handelsvertrag.
Derfelbe erregt allerlei Bedenken, namentlich bei der bekannten Un-
duldfamkeit der Rumänen gegen die Israeliten. Der Vertrag wird
schließlich einer Commission überwiesen, wo er liegen bleibt.
— Mai. (Deutsches Reich.) Die sog.christlich-soziale Be-
wegung scheint in Berlin an Boden zu gewinnen; der Verein soll
dort ca. 1300 Mitglieder zählen und bereits angesangen haben, sich
auch über andere Städte ausgubreiten.
Die ganze von der sog. Hofpredigerpartei ausgehende Bewegung erregt
indeß in der öffentlichen Meinung nicht ohne Grund auch vielfache Bedenken.
„Was könnte — so laulet als Beispiel ein Urtheil der A. A. Z. — er-
wünschter sein, als daß die Kirche mit aller Kraft des sittlichen Geistes den
gefährlichen Phantastereien der Sozialdemokraten entgegenkritt! Denn nur
durch völlige Aenderung der Lebensführung, des Lebenszweckes, der bloßen
Sinulichkeit kann die Krankheit geheilt werden. Alle Achtung gebührt den
Männern, welche muthvoll genug waren, in den ersten Versammlungen den
wüthenden Stürmen der Masse zu troyen. Gleichwohl tritt die Bewegung