94 FDaos beaische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Mai 23—24.)
Schließlich berührt er die Frage des Kulturkampfes und äußert den Wunsch
nach dessen Ende, weil die Kirche wohl geeignet sei zum Kampfe gegen den
Sozialismus; freilich müsse vdeselo- sich der staatlichen Ordnung fügen. Alle
Parteien müßten ähre Zwistigkeiten aufgeben und gegen den Sozialismus
zusammenstehen. Dazu sei auch die Mitwirkung der Regierung nothwendig,
die bisher leider oft die liberalen Parleien für das Wachsen des Sozialis=
mus verantwortlich gemacht habe. Auch den berechtigten Wünschen der Ar-
beiter müsse Genüge geschehen. Namentlich aber müsse die bisherige Lässig-
leit der bürgerlichen Klassen bei den Wahlen aufhören. Minister Graf
Eulenburg erwidert: der vorgeschrittene Zeitpunkt der Session könne die
Negierung nicht abhalten, wichtige für das Staatswohl dringend nothwendige
Gesetze vorzulegen. Er müsse der Behauptung Bennigsen's enschieden ent-
gegentrelen, daß die Negierung die Einbringung der Vorlage nicht ernst ge-
meint habe. Die Lehren der Sojial-Demokraten verwirrten die Gemüther
oft derart, daß Verbrechen wie das am 11. Mai möglich würden. Daß die
Sozial= Temolraten dasfelbe direlt angestiftet hätten, glaube die Regierung
nicht. Wenn man helfen wolle, müsse vorläusig Naum geschafft werden, die
Sogial-Demolraten zum Schweigen zu bringen, um in Frieden wirken zu
lönnen. Der Entwurf sei keine Gewaltmaßregel, und deßhalb nur eine so
lurze Dauer für deuselben vorgeschlagen. Mau habe heute zum ersten Male
von zu laxer Handhabung der Gesetze gehört; vielmehr fei allgemein über
zu strenge Handhabung geklagt worden. Man könne ja nun nach dem
Wunsche Bennigsen's die Gesetze bis ur äußersten Strenge anwenden, daun
möge aber Niemand sich bellagen. Dem Gerüchte von dem Temissionsgesuche
eines prenßischen Ministere könne er nicht widersprechen; er habe aber die
Hoffnung, daß das Gesuch nicht zum Austrilt des betreffenden Ministers führe.
Zweierlei sei maßgebend für die preußische Negierung: einmal alle zusammen-=
haltenden Elemente zu stützen, zweitens kein Mittel zu schenen, um diesen
Zweck zu erreichen. v. Helldorf (conserv.) kritt Namens der Conservativen
für die Vorlage ein, während Richter (Forkschr.) sich gegen dieselbe erklärt.
Gneist: die sozialistische Bewegung sei noch nicht unlerdrückt, weil die libe-
ralen Vereine und die liberale Preise für die arbeitenden Klassen unzugäng-
lich seien; in Folge dessen hätten sich die Arbeiter schroff von allen anderen
Sländen abgeschlossen. An sich seien alle Bestrebungen, der Obrigkeit gegen-
über den Sozial-Demokraten größere Macht zu verleihen, gerechtfertigt. Die
Vorlage selbst errege indessen viee juristische Bedenken; tropdem sei sie amen-
dirungsfähig. Er ersucht daher das Haus, das von ihm eingebrachte Amen-
dement WW daer (Meppen) ergreisft das Wort gegen die
orlage. Minister Hofmann verwahrt sich gegen die von Jörg und
Windthorst Li Aeußerungen über die Hilfe der Kirche gegebenen Deu-
tungen; er habe nur von dem Kirchenthum gesprochen, das mit dem Staate
Hand in Hand gehe und die Antorikät des Staates achte. Der Kulturkampf,
wie ihn die katholische Rirche durch ihre Prese und sondtgen Organe jühre,
habe der staatlichen Autorität mehr zu schaden gesucht, als die Sozial-Demo-
kratie. Moltke (conserv.) gibt die Verbesserungsfähigkeit der Vorlage zu,
weist aber auf die allgemein Lerbreikee Ueberzeugung hin, daß man besseren
Schutzes vor den den Staat bedrohenden Gejahren der Sozial-Demokratie be-
dürse. Gegen Noth, Elend und Armuth könne keine Reqierungsform und
klein Gesetzgeber schützen. Revolntionen hälten noch nie geholfen und hätten
ihre Anstifter und Führer stets zuerst verzehrt. Man solle der Regierung
die nöthige Macht geben, die Gefahren der bürgerlichen Gesellschaft bei Zeiten
abzuwehren. Die Geschichte der Pariser Commune zeige, welche Folgen ent-
stünden, wenn die Regierung sich die Zügel der Gewalt entschlüpfen lasse.
Die Zustände und Begebenheiten unter der Herrschaft der Commune würde