Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 28—29.) 125
Gleichzeitig beschließt die Kaufmannschaft eine Petition an
den Bundesrath gegen den preußischen Antrag, die der gangen Be-
völkerung zur Unterzeichnung zugänglich gemacht werden soll.
28. April. (Deutsches Reich.) Reichskag: Um dem immer
und immer wieder auftauchenden Gerücht, daß der Reichskanzler die
Einführung des Tabakmonopols keineswegs aufgegeben habe, viel-
mehr dieselbe nach wie vor aufs lebhafteste betreibe und vorbereite,
einen Riegel zu stoßen, stellt Richter (Fortschr.) den Antrag, der
„Reichstag möge erklären, daß er eine weitere Erhöhung der Tabak-
steuer oder die Einführung des Tabakmonopols für wirthschaftlich,
finanziell und politisch durchaus ungerechtfertigt erachte."
Hierzu liegen zwei Anträge auf Uebergang zur Tagesordnung vor:
Seitens der Reichspartei (Fürst Hohenlohe-Langenburg und v. Lerchenfeld):
ein Erwägung, daß zur Zeit eine Veranlassung nicht vorliegt, über das
Tabakmonopol oder über eine Abänderung des Gesetzes vom 16. Juli 1879
sich zu äußern.“ Ferner Seitens der Abgg. Buhl, Delbrück und Graf
Fugger, unterstüht von 77 Milgliedern der nalionalsiberalen und der
bornsruen „in Erwägung, daß über die künftige Besteuerung des Ta-
# bei der Berathung des Tabaksteuergesehes in der lehten Session des
Aiis ge ein volles Einverständniß zwischen den verbündeten Regierungen
und dem Reichstage herbeigeführt ist, — daß erwartet werden muß, daß
dieses, durch Verkündung des Gesehes vom 16. Juli 1879 erst neuerdings
beurkundete Einverstnduch nicht wieder durch einen Antrag auf Einführung
des Tabakmonopols in Frage gestellt werden wird."
Der Antrag des Fürsten Hohenlohe wird gegen die Stimmen der
freiconservativen und eines Theiles der deutsch- conservativen Partei ab-
gelehnt, dagegen der Antrag Buhl-Delbrück in namentlicher abstirmung
mit 181 gegen 69 Stimmen angenommen. Mit der Mehrheit (Fortschritt,
Nationalllierale und Centrum) stimmen sämmiliche sächsische Abgeordnete,
v. Kleist-Repow, v. Wedell-Malchow, Maccard und Delbrück; mit der con-
servativen nrzeit die liberale Gruppe, die meisten württembergischen
und elsaß= lothringischen Abgeordneten, ferner Reichensperger (Krehfeld),
Bernards, Fürst Carolath und Dr. Falt.
29. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: geuehmigt die
Vorlage des Bundesraths bezüglich der Küstenschifffahrt nur mit
einer allerdings nicht ganz unwesentlichen Modification.
Der Abg. Mosle beantragt als Berichterstatter die unveränderte
Annahme der Vorlage. Roggemann begründet dagegen seinen Antrag,
die Küstenfrachtfahrt ausländischen Schiffen gleich den deutschen zu gestatten,
durch eine mit Zustimmung des Bundesraths erlassene kaiserliche Verordnung
aber für die Schiffe derjenigen Staaten, welche deutsche Schiffe von ihrer
Küstenfrachtfahrt ganz oder theilweise ausschlietßen oder denselben solche nur
unter erschwerenden Bedingungen mweslehen, die Küstenfrachtfahrt ganz
oder theilweise zu untersagen. Staatssecretär Hofmann anerkennt, daß
der practische Effect fast derselbe sei, ob man den Antrag Noggemann“ oder
die Regierungsvorlage annehme; dennoch bitte er, den Antrag abzulehnen,
da die Regierung sonst in jedem einzelnen Falle genöthigt werde, einzelne