126 Pas beutsche Reich und seine einzeluen Glieder. (April 29.)
Nationen von der Wohlfahrt der Kabotagefreiheit auszuschließen und hier-
durch das freundliche Verhältniß zum Auslande leiden könne. Ueberdieß
sei es nicht zwecknäßig, die Negierung zu binden, jede fremde Nation zuzu-
lassen, welche ihrerseits die deutschen Schiffe zulasse. Man müsse der Ne-
gierung in dieser Hinsicht möglichst freie Hand lassen. Die Besorgniß, daß
das Ausland durch dieß Gesetz veranlaßt werden könnte, Repressalien zu er-
greifen, sei deßhalb unbegründet, weil wegen der geringen Betheiligung
fremder Schiffe an der deutschen Kabotage das Ausland durch die Vorlage
sehr wenig berührt werde. Wolle das Haus dem Gedanken Ausdruck geben,
daß das Princip der Gegenseitigkeit möglichst gewahrt werden solle, so möge
es Dieß in Form des Antrags Stolberg oder Beseler thun, nicht aber in
der vom Abg. Roggemann vorgeschlagenen Fassung. Den Antrag Beseler
aber, im § 1 das Wort „ausschließlich“ zu streichen, bitte er abzulehnen,
da die Vorlage nach Annahme deien gar keinen Sinn mehr haben
würde. Beseler und Graf Stolberg empfehlen ihren Antrag,
die Anwendung des Grundsaßes der Gegenseitigkeit in dem Gesetzentwurf
als Regel aufzustellen. Der Antrag Roggemann wird an Stelle der 8§
und 2 angenommen, der Rest der Vorlage ohne Debatte unverändert ge-
nehmigt. Ein Theil der Presse will auch darin eine Niederlage der Re-
gierung erblicken.
29. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Der Senioren-
convent desselben geht in seinen Dispositionen von der Voraussetzung
aus, daß die Reichstagssession bis zum 11. Mai zum Schluß kom-
men solle. Die Steuervorlagen bleiben in diesem Falle sämmtlich
unerledigt. Von dieser Voraussetzung scheint auch der Reichstag
selbst auszugehen, indem er statt der Brausteuer das Viehseuchen-
gesetz auf die nächste Tagesordnung seht.
29. April. (Baden.) Ein Erlaß des erzbischöflichen Ca-
pitelsvicariats regelt auf Grund des von den Kammern genehmigten
Examengesehhes vom 5. März den Nachweis der allgemeinen wissen-
schaftlichen Vorbildung der Geistlichen.
In der Einleitung heißt es: „Unser oberhirtliches Amt legt uns die
uuerläfliche Pflicht auf, mit aller Sorgfalt die tüchtige Heranbildung und
die Amtsautorisation der uns unterstehenden Geistlichen zu leiten. Wir sind
andererseits aber auch verpflichtet, soweit es in unseren Kräften kiegt, für
eine ausreichende Pastoration zu “ und möglichst dem Nothstand unserer
Seelsorge abzuhelfen. Im Hinblick hierauf, und da die Pflege der sittlich-
religiösen Interessen am besten durch das harmonische Zusammenwirken
wiscen der Staals= und Kirchengewalt gedeiht, haben wir uns dem Gesetze
5. v. M. unterzogen. Wir begrüßen diesen bedeutsamen St zur
Wahnmg des Friedens zwischen Gtat und Kirche.“ Der ß führt
sodann aus: das Geseh verlange nur, daß „die Candidaten bar lahwüet
Standes die absowiekeig der für die übrigen sogenannten Berufsfächer vor-
geschriebenen Gymnasial= und akademischen Studien nachweisen“. Hieran
wlieht sich die bischöfliche Verordnung, welche bestimmt: 1) Die Candidaten
er Theologie haben spätestens vier Wochen vor Abhaltung des kirchlichen
concursus Pro seminario die im Gefehe bezeichneten Nachweisungen (Abso-
lutorium und Universitätszeugnisse) der Kirchenbehörde vorzulegen. 2) Jene
Priester, welche die erwähnten Nachweisungen nicht vorlegen können, haben