174 Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 26.)
an die Bischöfe zu geben. Auch die abgesehten Bischöfe sollen sich an die
Oberpräsidenten wenden und die Curie fragt an, ob die Regierung dies für
genügend erachten werde, jene Bischöfe wieder in ihre Aemter einzusetzen
und die sonst der Strafe verfallenen Kleriker zu amnestiren, ferner, ob
bejahenden Falles auch noch Seitens des Staales die Revision der Maigesetze
zugesichert werden könne. — Kurze Zeit nach Abgang dieser Depesche, auf
die preußischerseits eine Antwort nicht erfolgt zu sein scheint, wird der Curie
der Ministerialbeschluß vom 17. März übermittelt, worin die Regierung
ihre Geneigtheit zu erkennen gibt, das thatsächliche Entgegenkommen des
Mobses mit der Forderung von Vollmachten beziglich freier Handhabung
der Maigesetze zu beantworten. Jacobini bemerkt sofort — am 15. April
— dem deutschen Botschafter, der Vatikan könne sich nicht damit begnügen,
daß der Klerus auf Gnade oder Ungnade der Regierung preisgegeben werde
und verlangt die Wiedereinsetzung der Bischöfe, worauf Prinz Reuß d
Verlangen nach einer päpstlichen Instruktion über die Anzeigepflicht Fußrs
— Immer der alte unfruchtbare Zirkel, wie man fteht jeder Theil verlangt
Garantien, keiner will sie zuerst geben. Am 16. April bestätigt eine Zu-
schrift des Kardinals Nina an Jacobini den „allerpespnichsten Eindruck, den
der Ministerialbeschluß vom 17. März in Nom gemacht habe. Die Dis-
positionen der Regierung werden als günstige anerkannt, aber wo sei die
Bürgschaft für ihre Dauer: Nom kann eine solche nur in bestimmter Aus-
sicht auf eine Revision der Maigesetze finden, nur unter solcher Bedingung
kann es den projectirten Zustand diskretionärer Vollmacht als Uebergangs-
stadium billigen und die verheißene Instruktion an die Bischöfe erlassen. —
Der deutsche Botschafter in Wien ist mit seinem Latein zu Ende, Jacobini
gleichfalls, dem Neichsanger aber reißt jetzt der Faden der Geduld. In
seinem Erlaß vom 20. April klagt er zuerst die Curie an, daß sie in Folge
mangelhafter Einsicht in die preußischen Verhältnisse ihre Erwartungen über-
treibe und ihre Ziele zu hoch stecke. Die Regierung habe das Möglichste
gethan; nicht nur, daß der Ministerialbeschluß vom 17. März wesentliche
Modifikationen der Maigeseße in Aussicht nehme, seien auch unter Puttkamer's
Verwaltung erhebliche praktische Conzessionen gemacht worden: „die polizei-
lichen, die gerichtlichen Verfolgungen sind sistirt, soweit das Geseh es uns
erlaubt; wir haben den Staatsanwalten und der Polizei, soweit wir es
können, Schweigen und Enthaltung auferlegt und beaosshligen Gesetze vor-
zulegen, welche uns das in größerem Maße noch gestatten follen.“ Was.
habe dagegen die Curie geboten: Sie habe eine entgegenkommende Aktion
ein Aussicht gestellt", das sei Alles und diese Aussicht fei nichts weniger
als vertrauenerweckend, wenn man die Haltung des Centrums im Reichs-
tage und Abgeordnetenhause ins Auge fasse. — Der Reichskanzler geht
nämlich davon aus, diese Fraktion regulire ihre Politik und gebe ihre
parlamentarischen Vota nach den Intentionen der Curie, und demgemäß
erblickt er in ihrer Haltung den Ausdruck der pöpstlichen Absichten, die
„praktische Erläuterung“ der Gedanken der Curie. Diese Auschauung be-
herrscht ihn vollständig. Als vor Jahresfrist das Centrum die Schuhzölle
und indirekten Steuern bewilligte, hat er an den Ernst des päpstlichen Ent-
gegenkommens geglaubt, neuerdings, da das Centrum wieder gegen die Re-
gierung gestimmt, im Landtag die Eisenbahnvorlagen, die Schanksteuer und
das Forstpolizeigesetz, im Reichstag das Militärgesetz, die Socialistenvorlage
und die Steuerprojecte bekämpft und abgelehnt hat, glaubt er nicht mehr
daran und ist von Mißtranen in die Absichten der Curie erfüllt. Der Friede
oder ein Abkommen mil Rom bedeutet für den Fürsten Bismarck Verzicht
des Centrums auf seine bisherige Opposition, die Kirchenfrage ist für ihn
in letztem Grunde eine parlamentarische. „Ein Wort von dem Papst oder