Has deufsche Reich und seine rinzeluen Glirder. (Juli 25—28.) 205
Sittig erklärt sich Namens der Linken absolut gegen den Antrag auf Ver-
weisung an einen Ausschuß. Der Antrag Rußwurm wird von der Rechten
gegen die Stimmen der Linken angenommen.
25. Juli. (Deutsches Reich.) Gelegentlich erneuerter Be-
sprechung des von Virchow in der Debatte über die Hamburger
Freihafenfrage im Reichstage erwähnten Briefes des Reichskanzlers
an den Finanzminister schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.“ “:
Der Reichskanzler habe sich bei jeder Gelegenheit in jenem Sinne
geäußert. Es wäre nicht nothwendig gewesen, Briefe zu stehlen, um fest-
zustellen, daß der Reichskanzler sich für das schließliche Ziel der Einheit des
deutschen Zollgebietes interessire. Das Anstreben dieses Zieles gehöre einfach
zu den Aufgaben feines Amtes, die er ohne Mlichtverlehung nicht vernach-
lässigen könne. Ein Neichskangler, der auf diesem Gebiete nicht die Ver-
wirklichung der nationalen Einheit mit allen verfassungsmähigen. Mitteln
erstrebe, sei nicht zu brauchen, sondern zu entlassen. Der „Nordd. Allg. Ztg."
werden als Aeußerung des Reichskanzlers die Worte citirt: „Wenn ich ge-
wußt hätle, daß die Lerren, Werth darauf legen, schriftlich constatirt zu
sehen, daß ich meine Schuddigket. thue, würde ich ihnen gern zehn folcher
Briefe geschrieben haben. Es ist meine Pflicht, den Anschluß der Hansestädte
zu erstreben, natürlich mit gesehlichen Mitteln und unter Achtung vor dem
Art. 34 der Reichsverfassung. Die Neichspolitik muß darauf gerichtet sein,
die Zustimmung der Hansestädte zum Anschlusse an das Reichszollgebiet zu
gewinnen."“
27. Juli. (Bayern.) II. Kammer: genehmigt mit allen
gegen 1 Stimme den Militärekat für 1880/81. Der Kriegsminister
erörtert die Erhöhung desselben und der (ultr.) Abg. Ruppert ver-
theidigt die ablehnende Haltung der Clericalen im Reichstage in
der Militärgesetzfrage.
28. Juli. (Deutsches Reich.) Großartige und glänzende
Inspicirung der deutschen Flotte bei Kiel durch den Kronprinzen
des deutschen Reichs und von Preußen in Begleitung des Marine-
ministers v. Stosch.
28—29. Juli. (Deutsches Reich.) Conferenz der deutschen
Finanzminister in Coburg.
Die Einladung dazu ging von dem preußischen Finanzminister und
nicht von einer Reichsstelle aus. Zur Zeit, als die Abänderung der Zoll-
politik in Angriff genommen wurde, ging dem Bundesrathe eine zahlenmäßige
Berechnung darüber zu, welche Summen die Einzelstaaten brauchten, um
ein Deficit in ihrem Haushalte zu vermeiden. Allem Aunscheine nach hat
sich die Minister-Conferenz in Coburg ebenfalls mit den Bedürfnissen der
Bundesstaaten beschäfligt, und das gewonnene Resultat wird die Grundlage
für die im Bundesrathe aufzustellenden Steuervorschläge bilden. Doch soll
es sich in Coburg nicht um Feststellung bestimmter Steuern, sondern nur
um Klarstellung des nothwendigsten Gesammtbedürfnisses gehandelt haben.
Das Reich ist erst in zweiter Linie daran betheiligt, indem durch seine Mit-
wirkung nach Lage der Verhältnisse allein Deckung zu finden ist. Die of-
ficiöse „Nordd. Allg. Zig.“ will wissen: „Es handelte sich um die Frage,