Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Das denlsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 31.-Aug. 2.) 207 
31. Juli. (Bayern.) I. Kammer: tritt dem Beschlusse der 
II. Kammer bei, an Se. Maj. den König die Bitte zu stellen, die 
zur einheitlichen Regelung der deutschen Orthographie geeigneten 
Schritte anordnen zu wollen. Minister Dr. v. Lutz erklärt: 
gz fei keineswegs gegen den Ankrag, indesseu sei der Zweck des An- 
trages nahee erreicht, da zwischen der preußischen und bayerischen Recht- 
schreibung nur ein Vorschwindenb kleiner Unterschied sei. In den preußischen 
Lehrbüchern sei die neue bayerische Schreibweise in Klammern beigesettt, 
womit angedeutet sei, daß auch die bayerische Schreibweise zulässig sei. Werde 
in Bayern eine neue Auflage über Rechtschreibung nothwendig, jo werde es 
ähnlich wie in Preußen gehalten und damit auch die preußische Schreibweise 
als zulässig erklärt. Niemals wollte man bezwecken, die Vorschriften über 
die neue Schreibweise über die Schule hinaus wirken zu lassen. 
2. August. (Bayern.) Der Landtag wird durch kgl. Bot- 
schaft bis auf weiteres vertagt. Unter den nicht erledigten Fragen 
befindet sich auch diejenige der Erlassung eines neuen Landtagswahl- 
gesetzes. 
Das zu Recht bestehende ist allerdings vielfach veraltel und entspricht 
den herrschenden Anschauungen nicht mehr. Es waren daher eine Anzahl 
Petitionen für die Vereinbarung eines neuen bei der II. Kammer einge- 
gangen. Im Allgemeinen gehen die Wünsche meist auf ein auft. directen 
Wahlen beruhendes Wahlgesetz, das zugleich die Mandatsdauer abkürze, das 
Institut der Ersahmänner beseitige und die Wahl von je einem Abgeordneten 
in einem Wahlbezirke vorschreibe. Zugleich wird die gesehliche Feststellung 
und Einkheilung der Wahlbezirke für wünschenswerth erklärt, doch möge 
daraus eventuell keine Frage gemacht werden, an der ein neues Geset scteiter, 
voransgesetzt, daß, wie in dem bisherigen Gesebe, allgemeine Kantelen 
troffen werden, die eine parteiische und unnatürliche Bildung der Wahl 0 
zirke ausschließen. Die Kammer hatte auch einen Wahlgesetzausschuß micder- 
gesetzt, der es aber nicht bis zu einem Antrag brachte. In diesem Ausschuß 
erklärte die Regierung auf das bestimmteste, daß sie sich gegen die directen 
Wahlen entschieden ablehnend verhalte und eine Vorlage in diesem Sinne 
nicht machen werde. Abg. Jörg dagegen sprach sich Namens der ultramon- 
tanen Fraction auf das W für directe Wahlen aus. 
— August. (Preußen.) Nachdem die weit überwiegende 
Mehrzahl der Bevölkerung von Altona sich gegen den Zollanschluß 
ausgesprochen und auch die Stadtvertretung in einer Denkschrift 
ihre Bedenken zu erkennen gegeben, haben nun auch die städtischen 
Collegien in Wandsbeck beschlossen, eine Adresse in dieser Angelegen- 
heit an den Finanzminister Bitter zu erlassen. 
Dieselbe enthält eine historische Darstellung der Entwicklung der Stadt 
in ihrem gollinländischen und in ihrem gollausländischen Theile, sie weist 
die engen Pelichungen derselben zu Hamburg nach ch und hebt die Nachtheile 
hervor, welche die beabsichtigte Verlegung der Zollgränze für die Einzelnen 
wie für die Gesammtheit zur Folge haben würde. Sie schließt mit dem 
Petitum: „Der Finanzminister möge seinen Einfluß dahin geltend machen, 
daß eine Einverleibung des jetzt dem Zollausland angehörenden Theils der 
Stadt Wandsbeck in das Zollgebiet nicht vor dem eventuellen Eintritt Ham-
	        
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