Has deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ang. 20—23.) 211
würde, und die als Tactik empfehle, sich so einzurichten, daß man die „un-
zutbehrich- Stüte" der Regierung sei, werde von ihnen nicht acceptirt werden.
fia Zwiespalt und der Kampf unter den Liberalen sei für die gemeinsame
Sach- verhängnipvoll geworden. zie sehr man auch über das Streben
spotten möge, eine durchgreifende Vesserung znserr inneren Verhältnisse s sei
nur zu erwarten, wenn wir zu großen Parteien gelangten. Die
Conservativen hätten es verstanden, s von FKpöller bis Stöcker zu vereinigen,
sie wären vor Allem im Lande bei den Wahlen zusammengegangen. Wenn
man von vornherein sage, es sei unmöglich, dann arbeitete man nur Denen
in die Hände, welche aus triftigen Gründen die Verständigung unter den
Liberalen nicht wollten. In Tausenden von Wählern lebe, was man auch
sagen möge, der Gedanke; an ihnen liege es, Hand anzulegen zur Verwirk-
lichung desselben. Im Parlament freilich würden der Bildung großer Par-
teien wahrscheinlich noch größere Hindernisse entgegentreten. Dortk möge auch
zur Zeit das Fractionswesen, obschon es an sehr schweren Mängeln leide,
bestehen, jedenfalls dürfe es nicht auf die Wählerschaften übergetragen werden.
Es würde nur zur Schwächung der Liberalen beitragen. Es gebe auch eine
ganze Anzahl von Wahlkreisen, in denen in allgemeinen liberalen Wahl-
vereinen die Verständigung über die Candidaten erfolge und ein Fractions=
unterschied gar nicht gemacht werde. Die liberalen Wählerschaften brauchten
einfachere Formen für ihre gemeinsame Wirkfamkeit, sie trieben in klareren,
festeren Zügen Politik. Große Parteien seien die Voraussehung einer ge-
sunden Entwickelung unserer inneren Verhältnisse. Die Vorbedingung: die
Verständigung über die Ziele einer großen liberalen Partei, sei zur
Zeit nicht schwer. Es gelte jetzt Front zu machen gegen alle rückschrittlichen
Bestrebungen der Conservativen und des Centrums, es gelte Das, was die
Liberalen in langer mühsamer Arbeit errungen, zu vert heidigen. Aufrecht-
erhaltung der Falk'schen Politik in Schule und Kirche, Aufrechterhaltung
der Delbrück'schen Zoll-, Münz= und Handels-Politik, RNuhe und Sicherheit
ür das gesammte Erwerbsleben der Nation, Abwehr aller bedenklichen
wirthschaftlichen und Stener-Experimente, volle Aufrechterhaltung der Rechte
der Volsvertretung. Das sei das gegebene Programm für die
liberale Partei. Zehn Jahre lang bchen die Liberalen, während Cen-
trum und ein großer Theil der Conservativen grollend bei Seite standen,
die Organisation und Gesetze mitschaffen belfen, welche unserm nationalen
Leben erst Fleisch und Blut gegeben. Wenn jeht die Reaktion die Zeit ge-
kommen glaube, diese Gesetze rückwärks aridlken zu können, so müßen die
Liberalen ein festes Nein entgegensetzen.
20—23. August. (Deutsches Reich.) Die deutschen Social-
democraten halten in der Schweiz einen geheimen Congreß, über den
dortige Blätter folgendes mittheilen:
„Von Winterthur aus, das als Sammlungsort angegeben war,
wurden die zahlreich berbeigeiten Vertreter nach dem bisher unbewohnten
Schloß Wyden dirigirt, das für die Zwecke des Congresses eigens gemiethet
und mit einem eigens dafür eingelchten Kastellan versehen war und während
drei Tagen und vier Nächten die Vertreter der deutschen Socialdemocratie
beherbergte. Die Nächte verbrachten die weisten Anwesenden auf Stroh
lagernd in einem Seitengebäude des Schlosses, wo Massenquartiere einge-
richlet waren. Eine communistisch zenchlafle, ambulante Küche, von einem
Schweizer Genossen und dessen Frau unter Verwaltung genommen, sorgte
für die leiblichen Bedürfnisse. Nach und nach trafen 56 Vertreter ein,
eren überwiegende Zahl sich aus allen Hauptcentren der wegung in