Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Aug.) 215
Dieselbe muß aber durch eine selbständige Staatsgesetgebung verbürgt und
geordnet sein. Ihre Durchführung darf nicht von politischen Nebenzwecken
abhängig gemacht werden. Die unveräußerlichen Staatsrechte müssen gewahrt
und die Schule darf nicht der kirchlichen Autorität untergeordnet werden.
Wir sind bereit, einer Einigung auf dieser Grundlage zuzustimmen; für uns
aber als Mitglirder der liberalen Partei werden unter allen Unständen diese
Anschaunngen die leitenden sein. Bamberger. Baumbach. Beisert. Berling.
Braun (Glogau). Georg v. Bunsen. Drawe. v. Forckenbeck. Jegel. v. Hönika.
Kieschke. Knoch. Lipke. Meyer (Breslau). Pflüger. Platen. Rickert. Sachse.
Schlutow. Seyffart (Liegnit). Frhr. v. Stauffenberg. Struwe. Thilenius.
Trautmann. Vollerthun. Weißermel. Westphal. Witte (Rostock).“
Ende August. (Deutsches Reich.) v. Kardorff (deutsche
Reichspartei oder Freiconservative) veröffentlicht in der „Schlesischen
Ztg.“ ein Promemoria über die Steuerreform, das dadurch Auf-
sehen macht, daß es die Frage bezüglich Erhöhung resp. Neu-
einführung von Steuern und diejenige bezüglich Erfetzung der di-
recten Steuern durch indirecte nicht länger stückweise, sondern auf
einmal und systematisch entschieden wissen will.
Herr v. Kardorff fordert zunächst von der Regierung ein klares,
bestimmtes Programm, insbesondere feste Stellungnahme zu der Frage
der Erleichterung der directen Steuern. Erst wenn diese Feststellung Mu
sei, hätten Sieneworlagen im Reichstage unter der Voraussetzung Aussicht
auf Ausnahme, daß sie als ein geordnetes und untrennbares Ganze
zu Anfang der Session eingebracht würden, und daß die Regierung von
vornherein entschlossen sei, für den Fall ihrer Ablehnung den Reichstag
aufzulösen und an das Land t appelliren. Die Grund= und Gebäudesteuer
bekrage in Preußen ca. 60 Mill. M ert. anie Einkommen-, Classen= und Ge-
werbesteuer ca. 90 Mill. Mark. Die volle Ueberweisung der Grund= und
Gebäudesteuer an commnnale Verbände, bbie völlige Abschaffung aller directen
Personalstenern würde daher die Beschaffung neuer Neichseimahmen im Be-
trage von 150 Mill. Mark erfordern. Nur mit Hilfe des Tabakmonopols
würde es allenfalls möglich sein, solche Summen n beschaffen, und wenn
man sich heute auf die Hälfte beschränken, d. h. das Ziel sich dahin stecken
wollte, mit 30 Mill. Mark die Hälfte der Grnd- und Gebändesteuer den
Communen zu überweisen und mit 45 Mill. Mark die Einkommen-, Classen-
und Gewerbesleuer auf die Hälfte zu reduciren, so würde dieß Bedürfuiß
Preußens von 75 Mill. Mark die Beschaffung von Reichseinnahmen in der
Höhe von 125 Mill. Mark voraussetzen. Herr Kardorff will- das Gerippe
des directen Steuersystems bestehen lassen, weil es jetyzt noch nr e Basis der
Communalbesteuerung und für die Zeit der Noth zenkbhrle ich sei. Er be-
rechnet die Hteigerung der Einnahme aus Zöllen auf 25 Mill. Mark, re-
ducirt also die aufzubringende Summe. Vom Tabakmonopol soll abgesehen,
dagegen sollen außer der Einführung einer erheblichen Börsenstener die Steuern
auf Tabak, Bier und Spiritus erhöht werden. Es wird demnach vorgeschla-
gen: a. Erhöhung der Kabalstenersäte um ca. 25 Mill. Mark, b. der St zun
stenern (Börsensteuern) um 20 ark,. c. der Braustener um 15
ark. d. der Spiritussteuer um 15 Mill. Mark, e. der Fitensefener
um 15 Mill. Mark. Summa: 90 Mill. Mark. Eingehend bespricht Herr
Kardorff die Erhöhung der Spiritusstener, die in landwirthschaftlichen Kreisen
auf Widerstand stoßen wird, und die Rübenzuckersteuer, die er ohne Schädi-
gung der Landwirthschaft für steigerungsfähig erachtet.