Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 17—18.) 253 
übersehen, ob in naher oder ferner Zeit darauf mit Sicherheit gerechnet 
werden könne. Wenn man namentlich die Schwierigkeit bedenke, die Ein- 
richtung der Eisenbahnräthe so zu treffen, daß wirklich einerseits völlig un- 
abhängige, andrerseits tüchtige und sachverständige, von Privakinteressen nicht 
beeinflußte Vertreter gewählt werden, so müsse man doch wohl zweifeln, ob 
es nicht rathsam sei „der so glücklich begonnenen Entwicklung der periodischen 
Conferenzen einstweilen noch freien Lauf zu lassen, anstatt sie in die Schranke 
fester, schwer abänderlicher geseylicher Bestimmungen einzudämmen.“ Die 
Regierung will jedoch zu dem Versuch einer gesetzlichen Regelung der Ange- 
legenheit die Hand bieten. 
I7. November. (Reuß-Gera.) Landtag: schließt mit dem 
Fürsten binen Domänenvergleich ab: 
fic Fürst gewährt den Dominialfonds von 1 Million Mark als 
Wd Schuld, welche vom 30. ds. Mts. an mit 4 Procent dem 
Staate zu verzinsen ist. Der Staat kann diese Schuld nicht kündigen, wohl 
aber die sürstliche Kammer, welche dann entweder in Raten von 100,000 
zurückzahlen oder Landrentenbriefe zu 3½ Procent mit 114 Nominal= 
100 effectivem Werth gewähren kann. Diese Nückzahlung muß an die Staats- 
kasse oder „im Falle elwaiger Mediatisirung an die sonst zuständige Stelle" 
erfolgen. Das fürstliche Eideicommisvermogen bleibt dagegen persönliches 
Eigenthum. des Fürsten, auch quittirt der Staat über die Kammerschuld von 
250,000 „X zur Einlösung der Kaffenanweisungen und zahlt die Reichs- 
r#pi#fn a mit 62,176 .4 zurück. — Ehe nämlich der Landtag in der 
eidigen Domänenfrage den Rechtsweg brlreten wolte, versuchte er noch ein- 
mal einen gütlichen Ausgleich, und zwar unmittelhar beim Fürsten selbst. 
In vertraulicher Sihung wurde eine Adresse an den Fürsten berathen und, 
nachdem das Ministerium dem Inhalt zugestimmt, dieielbe am 13. I. Mts 
dem Landesherrn durch eine Deputation überreicht. Der Fürst machte danan 
dem Landtag am 15. obigen Vorschlag, der von diesem pure acceptirt wird. 
18. November. (Württemberg.) Der „Staatsanzeiger“ 
veröffentlicht die Etatsvorlage pro 1881/83: 
Die Ausgaben betragen für jedes Jahr 52 Millionen. Behufs Her- 
stellung der vollen Deckung des Bedarfs wird vorgeschlagen: Convertirung 
der 4½ proz. Guldenobligationen in eine 4 proz. Markanleihe, Aufbringung 
der Tilgungssumme für die Eisenbahnanleihe durch ein Anlehen von 3,600,000, 
Erhöhung der Malzsteuer um 40 Proc. (2 Millionen), Erhöhung von No- 
tariatssporteln und Gerichtsgebühren (eine Million), Tariferhöhung Seitens 
der Postverwaltung (jedes Jahr 450,000) und Erhöhung der Erbschaftsstener. 
Als neuer Einnahmeposten sind jährlich 2,800,000 als württembergischer 
Antheil an Neichszöllen und Tabaksteuer gemäß dem Reichsgesetze vom 19. Juli 
1879 als approximativer Betrag eingeseyt. Behufs Verstärkung des Be- 
triebskapitals der Staatshauptkasse wird die Ausgabe von Schabanweisungen 
im Betrage von 3 Millionen beantragt. Der Finanzminister sagt schließlich 
in der Vorlage: „Obgleich das Bild des Staatshaushaltes gegenüber den 
Vorjahren ein weniger günstiges ist, so zeigt dennoch eine nähere Prüfung, 
daß die wirttembergische Finanglage zu ernsteren Besorgnissen keinen Anlaß 
gibt. Die zu Tage tretenden Verhältnisse machen sich in anderen deutschen 
Staaten in gleichem oder noch stärkerem Maße geltend. Die beantragten 
Erhöhungen der Malzsteuer und der Sporteln stehen unter den Säten, die 
in anderen Bundesstaaten bereits in An#nn stehen. Das Bestreben der 
Regierung ging darauf, die Staatsausgaben möglichst zu beschränken und 
bierdurch weitere Anforderungen an die Stenerkraft abzuwenden.“ Das