Pas deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 19.) 235
Gefahr, daß diese Agitationen die Reichsregierung zu einer Reaction in der
Müngpolitik drängen werden, wird nicht anerkannt, allein das unermeßliche
und schwer zu redressirende Unheil, welches jede dahin zielende Tendenz für
die gesammten wirthschaftlichen Interessen Deutschlands zur Folge haben
müßte, erscheint in der That zu erschreckend, als daß irgendeine Gelegenheit
versäumt werden sollte, den Einfluß der Bimetallisten zu bekämpfen. Eine
internationale Währungsconvention ohne Englands rückhaltlose Betheiligung
ist eine Verkehrtheit. England aber wird entschieden eine Aenderung seiner
Währung ablehnen. Dieß wird von dem enragirten Bimetallisten Seyd in
seiner jüngsten Schrift anerkannt, in welcher auch die Gefahr einer Ver-
einigung der Staaten ohne England drastisch geschildert wird. Herr Seyd
zinigu seine Gesinnungsgenossen in Deutschland, daß „Deutschland unter
keinen Umständen seine jehige Stellung ausgeben darf, wenn es nicht völlig
gegen das schnöde Siit das England mit der indischen Währung sreinen
kann, gesichert ist.“ Würde Deutschland, wie jüngst verlangt wurde,
Princip der reinen Goldwährung verlassen, indem es neue Thalerstücke oder
4Markstltckeausptagte,»wir-timedies-zeitweiligemmerkltkhesctecgendes
Silbers bewirken, so lang nämlich als Reichsgoldmünzen dun Austausch
gegen Silber anzubieten wären. Thatsächlich würde Deutschland zur Silber-
währung zurückkehren und vermuthlich vicht einmal soviel Goldmünze im
Umlaufe behalten, als es 1871 besaß. Wenn aber dieser Proceß sich voll-
zogen und etwa innerhalb winzer Jahre 1300—1400 Millionen Mark
dentsches Silbercourant ausgeprägt und dagegen ein gleicher Betrag an
Reichsgoldmünzen eingeschmolgen wäre, so würde die Silberentwerthung
wieder einsetzen und vielleicht stärker werden als bisher, da andere Länder
inzwischen mit Benutzung der durch Deutschlands bimctallische Müngpolitik
gebotenen Gelegenheit zur Aussloßung ihres Silbercourants die reine Gold-
währung bei sich durchgeführt hätten. Der Metallbestand der Reichsbank
würde bedeutend anwachsen, weil der inländische Umlauf natürlich statt eines
anfehulichen Theils der verschwindenden Goldmünze Banknoten verlangen
würde; aber die deutsche Valuta im internationalen Verkehr würde nach der
sich verändernden Werthrelation ebenso schwanken wie der Curs der öster-
ichischen Silbergulden." Solidität und Stabilität der Nizsustände find
ein Land in jeder Beziehung so unschätzbare Güter, daß sie mit uner-
Ghüttrrlicher Festigkeit von allen gewahrt werden müssen. Eine thatsächliche
Durchführung der Goldwährung kann erst erreicht werden, wenn der Rest
des früheren Silbercourants eingezogen wird. Ein Verlust“ an dem zu ver-
kaufenden Silber wird nicht erst durch den Act des Verkaufs selbst herbei-
geführt, sondern schon vorher durch die Silberentwerthung an den noch
nicht eingezogenen Silbermünzen. Der Verlust an den Silberverkäufen wird
aber reichlich aufgewogen durch den Vortheil, daß je mehr der Vorrath an
bisherigem Silbercourant sich verringert, die Reichsbank bei eintretendem
Goldabfluß mit der Erhöhung des Disconls meistens um so zurückhaltender
sein kaun. Aus diesen Gründen ward folgende Resolution zur Annahme
vorgeschlagen: „Angesichts der hervortretenden Bestrebungen, eine Aenderung
der Aeichseehsebmo über die Münzwährung herbeizuführen, erklärt der
deutsche Handelstag, daß es zu einer schweren Schädigung der deutschen
Wirthschaftsinteressen filhen müßte, wenn unter den bestehenden Verhältnissen
an den Grundlagen unserer Münzgesehgebung gerüttelt würde." Soetbeer
beantragt weiter folgenden Zusah: „Der deutsche Handelstag spricht den
dringenden Wunsch aus, uas zum Abschluß unserer Münzreform der gegen-
wärtig noch im Umlauf oder in der Kasse der Reichsbank befindliche Betrag
von Einthalerstücken vermindert und hierdurch die Ausführung, des Reichs-
gesebes vom 6. Jannar 1876 thunlichst bald herbeigeführt werde.“" Stumpf