Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Die Oesterreichisch-Augorische Monarhie. (Juli 4—5.) 309 
Es ist wohl characteristisch, daß der Deutsche als gefährlichste Waffe 
gegen seine Gegner die Schule gebraucht. Die großen Blätter Wiens hatten 
kaum das Programm des Vereins publicirt, da regnete es in den Redactio- 
nen förmlich Zustimmungs= und Aufmunterungsbriefe und nun circuliren 
in Wien und in den Kronländern Tanfende von Listen zur Unterzeichnung 
mit Beiträgen. Die Agitation wird ebenso rapid als systematisch und prac- 
tisch betrieben. Es ist bekannt, daß die Nationalen in Ungarn und Galizien, 
neben der Vergewalligung der deutschen Schulen, die Eisenbahnen in das 
Auge faßten. Das Buch ist noch nicht geschrieben über die Vergewalligung 
des deutichen Eisenbahnwesens in Ungarn, über die Fülle von Ungerechtig- 
keiten, von Unglück und Jammer, welche über die deutschen Beamten und 
Ingenieure in Ungarn gebracht wurde, weil sie nicht Magyaren werden 
wollten und konnten. Nachdem sie die Bahnen gebaut und den ordentlichen 
Feteiel eingerichtet hatten, wurden sie mit Weib und Kind einfach davon- 
agt. Hr. Hausner, der Abgeordnete für Galizien, brachte unlängst im 
Mihscath den Antrag ein, daß die Administrationen der galizischen Eisen- 
bahnen von Wien nach Lemberg verlegt werden möchten. Der Antrag kam 
just bei Zeiten, um die Administrationen der Eisenbahnen aufmerksam zu 
machen. Sie legten die Hände nicht in den Schooß, damit zum zweiten 
und zum drilten Mal das Unheil über ihre Angehörige hereinbreche! Sie 
erkannten es als den besten Weg, damit die ungarische Katastrophe sich nicht 
in Galizien und in Böhmen wiederhole, dem Geguer direct zu Leibe zu 
gehen und ihn im eigenen Lager aufzusuchen. Die Generaldirectionen der 
österreichischen Eisenbahnen traten kurz entschlossen dem Deutschen Schul- 
verein bei und entwickelten in ihrer Art und auf ihrem eigensten Terrain 
ihren Schlachtplau. Die Generaldirectionen der österreichischen Eisenbahnen, 
Westbahn, Nordbahn, Nordwestbahn, Czedik, Eichler, Groß #c. ließen von 
ihren Untergebenen Listen anfertigen, welche auf die Strecken hinansgeschickt 
wurden, um die Unterschriften der Beamten aufzunehmen. Mit einem wah- 
ren Feuereifer warfen sich die Beamten, der Tragweite der Sache das ge- 
hörige Verständniß entgegenbringend, auf das geöffnete Feld. In wenigen 
Tagen waren auf allen Stationen, in allen Städten und Orten, wo die 
Beamten ihre Colonien haben, 2 Taujende von Unterschriften gesammelt. Und 
nicht allein die Beamten, auch die Vertreter der intelligenten Classen, traten 
dem Verein zur Förderung des deutschen Schulwesens bei. Die Apostel der 
Nationalen, der Czechen und Polen sloßen jehßt schon allenthalben auf den 
Strecken der Nordbahn, der Nordwestbahn, der schlesischen und galizischen 
Bahnen auf die Filialen des Deutschen Stulvereins. den man auch kurzweg 
den Deutschen Verein nennen kann: in Prag, in Reichenberg, in Leitmeritz, 
in Tetschen und in zahlreichen Orten existirt schon der Verein, ja hat bereits 
in einigen Orten die Gründung von deutschen Schulen i in Angriff genommen! 
Die Eisenbahnen in Oesterreich Hand in Hand mit den Schulen, das ist auch 
ein Zeichen der Zeit 
4. Juli. (6 esterreich.) Die Föderalisten, namentlich die 
Czechen, verlangen vom Grafen Taaffe eine gründliche Purification 
des Beamtenkörpers in Wien und in den einzelnen Ländern, zu- 
nächst eine solche des Preßbureau's, dann aber auch der politischen 
Verwaltung. Dieser ganze Apparat sei ein Werk der Centralisten; 
andere Ziele verlangten aber auch andere Männer und diese seien 
natürlich den verschiedenen nationalen Parteien zu entnehmen. 
5. Juli. Eine österreich-ungarische Zollconferenz beräth in 
 
	        
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