Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

4. Frankreich. 
1. Januar. Der Wechsel des Minisleriums wird auf die 
unter Waddington bestandenen guten Beziehungen zwischen Frank- 
reich und Deutschland keinerlei störenden Einfluß üben. 
Beim Neujahrsempfang der Botschafter durch den neuen Minister= 
präsidenten de Freycinet ergreift Fürst Hohenlohe herglich und warm seine 
Hände und sagt laut geung, daß er von allen Umstehenden gehört werden 
kann, er habe soeben vom Fürsten Bismarck telegraphisch den Auftrag er- 
halten, ihm seine persönlichen Glückwünsche auszudrücken und ihm zu eröff- 
nen, daß er, obgleich er den Abgang des Herrn v. St. Vallier bedauere, 
der in sehr guten Beziehungen zu e#l deutschen Regierung stand, doch ganz 
von dem Wunsche beseelt sei, das freundschaftliche und friedliche Verhältniß, 
welches zwischen den beiden Ländern bestehe, aufrecht zu erhalten. Herr de 
Freycinet dankt seinerseits innig für die Worte, welche er im Auftrage und 
im eigenen Namen an ihn gerichtet, und bittet den Fürsten Hohenlohe, dem 
Fürsten Bismarck anzuzeigen, daß er von dem lebhaften und aufrichtigen 
Wunsche erfüllt sei, die freundschaftlichen und friedlichen Beziehungen zwischen 
seträih und Deutschland aufrecht zu erhalten, und wünscht sich Glück 
ierbei zum Vermiktler den Fürsten Hohenlohe zu haben und das freund- 
waastlich Verhältnä, welches zwischen ihnen und ihren Familien schon seit 
längerer Zeit walte, noch enger zu schließen. Die deutsche Presse ist mit 
dem Vorgang sehr einverstanden, indem sie meint: „Die Welt und Nachwelt, 
die republicanische zumal, wird nicht sagen können, daß von deutscher Seite 
elwas versäumt worden wäre, um mit dem Nachbar hinter den Vogesen in 
Frieden und Freundschaft zu leben, selbst unter der Leitung der Männer 
von Tours. 8 ist Deutschlands aufrichliger Ernst mit dem Frieden; der 
Regierungswedhsel in Frankreich, wie er sich auch gestalten mag, ist Sache 
der Franzosen und geht uns practisch nur an, wenn er unsere Kreise stört. « 
1. Januar. Die bonapartistische Partei scheint wenigstens 
in ihrer großen Mehrheit den Prinzen Napoleon als neuen Chef 
der kaiserlichen Familie und als Prätendenten anzuerkennen. 
Eine große Anzahl der bonapartistischen Senatoren und Deputirten, 
fast alle übrigen hervorragenden Persönlichkeiten der Partei, sowie auch viele 
Mitglieder der Geistlichkeit und katholische Notabilitäten kommen, um dem 
neuen Oberhaupte der Familie Bonaparte zu Neujahr ihre Huldigungen 
darzubringen. Der Prinz, obgleich unwohl, zeigt sich Allen gegenüber 
äußerst liebenswürdig. Rouher, zu dem sonst am Neujahrstage die Getreuen
	        
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