Das denischt Beich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 9.) 37
mehrerer Zweigbahnlinien beabsichtigt, wofür 12½ Mill. .4& er-
forderlich seien.
9. Jannar. (Bayern.) II. Kammer: Der ultramontane
Abg. Dr. Rittler benützt die Berathung des Cultusetats zu einer
überaus heftigen Philippika gegen den Cultusminister v. Lutz.
Die für die bayerischen Zustände und Parteiverhältnisse überaus cha-
racteristische Rede lautet im Wesentlichen: Er (Redner) halte den Cultusetat
für den wichtigsten Etat im Staatshaushalte, allein der gegenwärtige Mo-
ment, in welchem in die Berathung eingetreten werde, verleihe diesem Etat
noch eine ganz besondere Bedentung, weil nämlich die im Jahre 1875 ge-
wählte Kammer sich heute zum leßten Male diesem Etat gegenüber befinde.
Es würden deßhalb Erinnerungen wachgerufen, welche vor wenigen Jahren
die heftigsten Kämpfe in diesem Hause veranlaßt hätten, Erinnerungen der
schmerzlichsten Art für die Katholiken BVayerns, Erinnerungen des Sieges
für die Gegenpartei und Erinnerungen des Triumphes für den Cultusminister.
Er (Redner) habe sich deßhalb geraume Zeit besonnen, ob er heute den Weg
der Beschwerde betreten oder es unternehmen solle, dem Cultusminister in
einem gewissen Sinne eine feierliche Lobrede zu halten; der Gedanke liege
sehr nahe, denn Minister v. Lutz sei unter den Staatsmännern der Gegen-
wart eine ganz privilegirte Persönlichkeit, er feiere gegenwartig ein zehn-
jähriges Cultusminisler-Jubiläum, wie es in diesem Jahrhundert noch kein
Minister und, soweit des Redners Kenntnisse der Geschichte reichen, über-
haupt noch keiner gefeiert babe. Derselbe habe einen Siegeslauf hinter sich,
wie ihn kein Staatsmann aufzuweisen habe auf dem Gebiete des inneren
Verwaltungswesens. Wenn die Welt heute den Fürsten Bismarck den größten
Staatsmann nenne in Bezug auf die äußeren Geschicke des deutschen Rei-
ches, so dürfe man, ohne aus Widerspruch zu stoßen, offen aussprechen, daß
Dr. v. Lutz in Bezug auf den Culturkampf der Gegenwart unerreicht und
vielleicht unerreichbar dastehe. Daher bestehe wohl Anlaß, daß auch Redner
dem Minister eine Jubiläumsgabe auf den Tisch lege. Wir schrieben heute
den 9. Jannar 1880, und Dr. v. Lutz befinde sich noch immer am grünen
Tisch, Das sei aber der erste große Erfolg, den er errungen habe. Gegen wel-
chen Minister in Europa sei der Andrang sich auf einander folgender Stürme
so heftig gewesen, wie gegen Dr. v. Lutz!? Und sei derfelbe nicht aus allen
Schlachten als Sieger hervorgegangen? Stehe er nicht heute siegreicher da
als jemals? Beherrsche er die Sikuation in Bayern nicht mehr, als je ein
Minister, so lange man den Namen Bayern in der Geschichte neune? Zehn
Jahre seien es, seit die vereinigten Kammern geschlossen ihre Opposition
gegen Dr. v. Lut gerichtet, allein der damalige Sturm sei abgeschlagen
worden, ebenso der im Januar 1872 unternommene, auch der unterm 26.
Juni 1876 gegen den grünen Tisch unternommene Auprall sei zurückgewiesen
worden. Im October 1875 habe die ganze Rechte unker dem Jubel ihrer
Wähler eine Demonstration gegen den grünen Tisch und namentlich die
Seele des Ministeriums, Herrn v. Lutz, unternommen; der Erfolg sei ge-
nügend bekannt. Herr v. Lußz sei noch da, und, was noch viel mehr sagen
wolle, er sei da als der gleiche, der er gewesen, als ganz derselbe, gekrönt
mit den Siegestrophäen von 11 Jahren; an seinem Triumphwagen mil-
ziehend selbst einen Theil seiner Gegner, in dem stolzen Bewußtfein, daß
einzelne seiner Gegner heute wenigstens in seinen Reihen kämpften. Der
Minister habe am 26. Juni 1876 gesagt: „An dem Streite zwischen Staat
und Kirche bin ich nicht schuld.“ Diese Worte hätten eine gewisse Berech-
tigung; denn auch früher habe es Kämpfe gegeben, aber gleichwohl sei es