Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

elgien. (Nov. 10—23.) 443 
lichleit einzelner Gemeinde= und Provinzialverwaltungen entgegenzulreten 
veranlaßt sieht. Die Richtung der inneren Politik findet sich nur kurz im 
Schlußparagraphen berührt, der also lautet: „Am Anfang der Session 1878 
hat Ihnen meine Regierung ihre Ansichten und Vorschläge hinsichtlich der 
Leitung der öffentlichen Angelegenheiten dargelegt. Das vor zwei Jahren 
entwochemn Programm ist noch lange nicht erschöprft. Meine Regierung ist 
willens, die Ausführung desselben mit ebenso großer Fesligleit als Mäßi- 
gung zu verfolgen, und sie biltet hiezu um Ihre loyale und patriotische 
Mitwirkung.“ Dem Bruche mit Rom sind bloß folgende Worte gewidmet: 
„Ihnen wohl bekannte Ursachen haben den Abbruch unjerer Beziehungen 
zum Vatican zur Folge gehabt.“ Dafür ergeht sich die lonigliche Rede in 
langen Veirachtnnen üler die Bedeutung und Tragweite des National= 
jubiläums und der bei diesem Anlaß veranstalteten Gewerbe= und Kunst- 
ausstellungen, sowie der zahlreichen literarischen und staalswirthschaftlichen 
Congresse. 
10. November. II. Kammer: verweigert ihre officielle en 
corps Theilnahme an dem Tedeum zur Feier des kgl. Namenstags 
als Antwort auf die Weigerung der Bischöfe, ihrerseits an den Na- 
tionalfesten theilzunehmen, mit 47 gegen 26 Stimmen. Ebenso be- 
schließt der Senat mit 32 gegen 26 Stimmen, bis zu gegentheiliger 
Entschließung fortan in corpore keiner gottesdienstlichen Handlung 
beizuwohnen. 
23. November — 10. December. II. Kammer: Adreßdebatte. 
Als Einleitung dazu läßt die Regierung einen Band Actenstücke 
von 700 Seiten unter dem Titel „Belgien und der Vatican“ ver- 
theilen.“ 
Aus diesen Actenstücken geht unzweidentig hervor, daß der Car- 
dinal-Staatssecretär Nina an den Zweidentigkeiten und Ränken der Curie 
gegenüber der belgischen Regierung und dem belgischen Episcopat wesentlich 
unschuldig war, indem er gerade bezüglich der compromittirendsten Noten 
einfach gezwungen worden war, zu unterzeichnen, was ihm vom Papsle 
selbst zugeschickt worden war, der übrigens selbst wieder nur unter dem 
Druck der Cardinalsclique Lrbochowsli, Bilio 2c. gehandelt hatte. 
In der Debaite p0 mmern die Clericalen darüber, daß die „natio- 
nale Würde“ Belgiens in den Angen des Auslandes durch die gewalkihätige 
Verreih des Verhältnisses zwischen Staat und Vatican schwer geschädigt 
worden sei. In Belgien sind aber Staat und Kirche durch das Grundgesetz 
so getrennt, daß sie weder eines Concordats noch eines diplomatischen Ver- 
kehrs bedürfen. Janson, der radicale Vertreter Brüssels, geht jedoch noch 
weiter und stellt zur Erwägung, ob nicht „alle Bande frommer Schen" 
zwischen den beiden Mächten zu lösen sein mochten, von denen ja J. B. No- 
thomb, der Katholik, vor 49 Jahren im Nationalcongreß das berühmt ge- 
wordene Wort gesprochen hat: „Zwischen Staat und Kirche gibt es nicht 
mehr Beziehungen, als zwischen Staat und Geometrie; zwei Mächte, die 
nichts gemein haben, können nicht mit einander verhandeln.“ Janson stellt 
nun unter dem Beifall der Linken folgende Fragen: „Soll die Regierung 
nach wie vor die geistlichen Seminarien bezahlen und deren Zöglinge mit 
Staatsunterstühung versehen? Sollen die Seminaristen nach wie vor vom 
Militärdienste befreit bleiben: Wie steht es mit dem Cultusbudget, nach-