Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Schweden und Norwegen. Sept. 15— Deec. 6.) 457 
15. September. (Norwegen.) Der Militärausschuß des 
Storthings tritt unter dem Vorsitze des Storthingsführers und 
Bankdirectors Sverdrup trotz des Verbotes des Königs doch in 
Christiania zusammen. Auch die vom Storthing ernannten mili- 
tärischen Mitglieder finden sich ein trotz der gegentheiligen Weisung 
ihrer mililärischen Oberen. 
25. September. (Norwegen.) Der Stoatsminister (Minister- 
präsident) Stang reicht dem König seine Entlassung ein. Der König 
verschiebt seine Entscheidung und wird selbst nach Christiania kommen. 
II. October. (Norwegen.) Der König langt in Christiania 
an, gewährt Stang die geforderte Entlassung und ernennt den Staats- 
rath Selmer zum Staatsminister oder Ministerpräsidenten. 
12. November. (Norwegen.) Auf Ansuchen der norwegischen 
Regierung hat die juristische Facultät der Universität Christiania 
ihr Gutachten über die Frage abgegeben, 
ob dem Könige in allen Verfassungsangelegenheiten das unbe- 
schränkte Velo zustehe. Die Minister hatten dies in ihrem Berichte über 
die Staatsrathsangelegenheiten behauptet. Die Facultät hat sich dahin ge- 
äußert, daß in diesem bestimmten eingelnen Falle der König allerdings 
das Recht der Verweigerung habe; ein Mitglied ist indessen entgegengesehtter 
Ansicht gewesen. 
Anfang November. (Norwegen.) Der König hat Christiania 
wieder verlassen und ist nach Stockholm zurückgekehrt. 
In dem Conflict mit dem Storthing bez. der Staatsrathsfrage scheint 
er entschlossen, nicht nachzugeben, indem er hofft, daß die Partei Sverdrup 
bei einer eventuellen Aufnahme des Kampfes gegen die Prärogative der 
Krone auf einen Rückhalt bei der ihrer Mehrheit nach loyal gesinnten Be- 
völkerung Norwegens nicht zu rechnen hätte. Verfassungsmäßig siehe dem 
Storthing in der Staatsrathsfrage keine weitere Initiative zu, und die ein- 
gebrachte Regierungsvorlage, welche das Zugeständniß des Erscheinens der 
Minister in der Landesverkrelung von dem Rechte der Kammerauflösung und 
der Pensionsberechtigung für die austretenden Mitglieder des Staatsraths 
abhängig macht, könne erst in dem im Jahr 1883 zu wählenden Storthing 
zur Verhandlung gelangen. Bis dahin werde es der augenblicklich im Amte 
befindlichen Regierung wohl gelingen, sich einen genügenden Einfluß auf die 
Bevölkerung zu verschaffen. 
6. December. (Schweden.) Der König bestätigt die, auf 
das Drängen der Landmannpartei vom NReichstag in seiner letzten 
Session gefaßten Beschlüsse, wonach verschiedene Landesproducte, die 
bisher zollfrei eingeführt wurden, vom 1. Jannar 1881 an mit 
einer zum Theil hohen Steuer belegt werden sollen. Der frei- 
händlerisch gesinnte Finanzminister Forssel nimmt deßhalb seine 
Entlassung und der mehr schutzzöllnerisch gesinnte Ministerpräsident 
Graf Posse übernimmt selbst das Finanzministerium.
	        
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