Ruhland. (Jan. 31— Febr. 8.) 459
industrieller Anslalten; 6) volle Freiheit des Gewissens, des Wortes, der
refse, der Vereine, der Versammlungen und der Wahlagitationen; 7) allge=
meines Wahlrecht ohne Einschränkung durch Stand und Besitzthum; 8) Ersatz
der ständigen Armee durch eine territoriale.“ Beachtenswerth ist ferner, was
über die terroristische Wirksamkeit der Rürtei in dem Programm gesagt wird:
„Die terrorislische Thätigkeit, so heißt es dort, welche in der Vernichtung
der am meisten schädlichen Aloraist 151 der Regierung, in dem Schuß
der Partei vor Spionen, in der Bestrafung der Willkür von Seiten der
Regierung, Verwaltung u. s. w. besteht, hat zum Ziel, das Prestige der
Regierungsgewalt zu untergraben, stetig einen Beweis der Möglichkeit eines
Kampfes gegen die Regierung zu geben, auf diese Weise im Volk den revo-
lutionären Geist und den Glauben an Erfolg zu beben und endlich brauch-
bare und gestählte Kräfte für den Kampf zu bilden.“
31. Jannar. Die Kaiserin kehrt todtkrank von Cannes nach
St. Petersburg zurück, um an der Seite ihres Gemahls zu sterben.
Ende Januar. (Finnland.) Die seit dem Jahre 1875 be-
gonnenen Verhandlungen der Regierung mit dem Senat und dem
Landtag des Großfürstenthums, das mit RNußland nur durch Per-
sonalunion verbunden ist und seine eigene Verfassung hat, über die
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sind endlich zum Abschlusse
gelangt und das Refultat soll mit dem Jahre 1881 ins Leben
treten. Die Bestimmungen weichen in manchen Puncten von den
in Rußland giltigen nicht unwesentlich ab.
3. Februar. (Polen.) Großartige Kundgebung in Warschau,
wie sie die Polen seit dem Aufstande von 1863.,64 nicht gewagt
haben.
Anlaß dazu gibt die Beerdigung des 16jährigen Gymnasiasten Ignaz
Neufeld, der wegen Betheiligung an der leberreichung eines mit den pol-
nischen Nationalfarben geschmückten Kranzes an eine Schaufpielerin. ans der
Schule für immer verwiesen worden war und sich deßhalb durch einen Re-
volverschuß das Leben genommen hatte. Obwohl der Verstorbene der mo-
saischen Religion angehörte, betheiligen sich an dem von einem NRabbiner
geführten Leichenzuge mindestens 10,000 Polen und Inden, unter denen sich
die hervorragendsten Personen beider Nationalitäten besinden. Der mit feier-
lichem Ernst durch die Hauptstraßen der Stadt sich bewegende Leichenzug
imponirt der Polizei in dem Grade, daß sie sich von ihm zurückhält und
ihn nur durch einige Polizisten von fern beobachten läßt.
8. Februar. Die Polizei entdeckt in Petersburg wieder eine
geheime Druckerei, diejenige der „Tschernij Peredjal“ (der Verbesserer
der Volkslage).
— Februar. Die öffentliche Meinung beschäftigt sich immer
lebhafter mit dem am 2. März bevorstehenden Regierungsjubiläum
des Kaisers und erwartet von demselben zum Theil große Dinge.
Die Stimmung am Hofe ist aber eher eine gedrückte.
Selbst in der eigenen Familie des Kaisers sind Zustände eingeireten,
die immer drängender einer gewaltsamen Lösung entgegentreiben. Wie erust